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die Begründung von Versuchsgärten eine ausserordentliche wissenschaftliche Bedeutung hat. Es kann allerdings fraglich sein, welches Land die Ehre haben wird, den ersten selbständigen Versuchsgarten einzurichten, dagegen ist es nicht zweifelhaft, dass der ersten derartigen Anstalt sehr bald zahlreiche andere folgen werden.

Wenn auch die auf den vorstehenden Blättern bekämpfte doctrinäre Auffassung des Speciesbegriffs sich mehr und mehr als unhaltbar erweisen dürfte, so wird doch die Ermittelung des Grades der Beständigkeit und der Veränderlichkeit der Pflanzenformen noch für viele Jahrzehnte ein fruchtbares Feld für wichtige grundlegende Untersuchungen bilden.

Die Gastrula und die Eifurchung der Thiere.

Von

Ernst Haeckel.

(Hierzu Taf. XIX-XXV.)

(Fortsetzung der „Gastraca-Theorie" u. s. w., Bd. VIII dieser Zeitschr. S. 1—57.)

Inhalt: 9. Die Bedeutung der Palingenie und der Cenogenie. 10. Die vier Hauptformen der Eifurchung und Gastrulabildung. 11. Die Eifurchung und Gastrulabildung in den Hauptgruppen des Thierreichs. 12. Die phylogenetische Bedeutung der fünf ersten ontogenetischen Entwickelungsstufen.

9. Die Bedeutung der Palingenie und der Cenogenie.

Die Gastraea-Theorie hat sich in den drei Jahren, welche seit Publication ihrer Grundzüge in meiner Monographie der Kalkschwämme (1872) verflossen sind, als ein leitendes Princip bewährt, welches nach vielen Richtungen hin geeignet ist, Ordnung in das bunte Chaos der massenhaft angehäuften zoogenetischen Beobachtungen zu bringen und die causale Erkenntniss der wichtigsten Vorgänge in der Entwickelungsgeschichte der Thiere wesentlich zu fördern. Zu diesem Schlusse bin ich berechtigt einerseits durch die vielfache fruchtbare Verwendung, welche die Folgerungen der Gastraea-Theorie inzwischen bei zahlreichen Anhängern der monistischen Entwickelungslehre gefunden haben; anderseits durch die nicht minder zahlreichen und lebhaften Angriffe, welche dieselbe durch die dualistischen Gegner der letzteren erfahren hat. Wie Jene bestrebt gewesen sind, mittelst der Gastraea-Theorie und der daran geknüpften Consequenzen den einheitlichen Zusammenhang der Entwickelungs-Vorgänge im ganzen Thierreiche zu erkennen, so haben sich Diese umgekehrt bemüht, durch Widerlegung unserer Theorie darzuthun, dass ein solcher einheitlicher Zusammenhang nicht existirt, und dass die verschiedenen Entwickelungserscheinungen im Thierreiche ein zusammenhangloses Aggregat unverständlicher und wunderbarer Thatsachen bilden.

Inzwischen bin ich ununterbrochen bestrebt gewesen, die mannichfaltigen Folgerungen der Gastraea-Theorie weiter zu ent

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wickeln und ihre Anwendung auf die phylogenetische Classification des Thierreichs, auf die Feststellung der Homologien in den verschiedenen Thierstämmen u. s. w. durchzuführen. Wie fruchtbar dieselbe sich für die zusammenhängende Erkenntniss der Keimesund Stammesgeschichte sowohl im Ganzen als im Einzelnen erweist, habe ich an dem Beispiele des menschlichen Organismus in meiner, im vorigen Jahre veröffentlichten Anthropogenie darzuthun versucht. Doch blieben trotz dieser unausgesetzten Bemühungen zur Befestigung der Gastraea-Theorie immer noch manche dunkle Stellen und schwache Seiten übrig, welche den Gegnern Gelegenheit zu mannichfachen Angriffen darboten. In der Absicht, diese Dunkelheiten und Schwächen möglichst zu beseitigen, habe ich eine neue Reihe von vergleichenden Beobachtungen über die ersten EntwickelungsVorgänge in den verschiedenen Hauptgruppen des Thierreichs angestellt. Um dieselben, vorzüglich durch Untersuchung niederer Seethiere, zu einem vorläufigen Abschlusse zu bringen, unternahm ich im Frühling dieses Jahres eine Reise nach Corsica, wo ich in Gesellschaft meiner beiden Schüler und Freunde, der Doctoren OSCAR und RICHARD HERTWIG, während der Monate März und April verweilte. Der felsenreiche Strand von Ajaccio, der Hauptstadt der Insel, bot uns für unsere Zwecke eine reiche Fülle von niederen Seethieren aus allen Hauptgruppen, und auch die pelagische Fischerei mit dem MÜLLER'schen Netze an der Oberfläche des weiten Golfes von Ajaccio lieferte uns manches werthvolle Material, unter diesem namentlich pelagische Eier von Knochenfischen, welche für mehrere streitige Fragen in der Ontogenie dieser Thiere von entscheidender Bedeutung sind. Auf den ausgedehnten Strandfelsen, welche bei niederem Wasserstande weit entblösst werden, wuchert eine reiche Algen-Flora, und mit dieser gemischt eine nicht minder üppige Vegetation von Spongien, Hydroiden, Alcyonarien und anderen Zoophyten. Auch an Würmern, Mollusken, Echinodermen und Crustaceen war kein Mangel und ich konnte die Entwickelung der Eier wenigstens von einzelnen Repräsentanten dieser Gruppen in den ersten, mir vorzugsweise wichtigen Stadien vergleichend verfolgen. Zugleich gelang es mir, eine Reihe von früheren ontogenetischen Beobachtungen zu ergänzen, welche ich 1865 auf Helgoland, 1867 auf der canarischen Insel Lanzerote, 1869 an der Küste von Norwegen, 1871 auf der dalmatischen Insel Lesina und 1873 im Hafen von Smyrna angestellt hatte. Indem ich über verschiedene Resultate dieser und früherer Untersuchungen mir spätere Berichterstattung vorbehalte, beschränke

ich mich zunächst für diesmal auf die Mittheilung der abgerundeten Ergebnisse, welche ich über die Eifurchung und die Gastrulabildung in den verschiedenen Hauptgruppen der Metazoen erhalten habe.

Unstreitig sind es vor allen die mannichfaltigen Verhältnisse der thierischen Eifurchung, welche die ursprüngliche Einheit der Gastrulabildung in den verschiedenen Thierklassen verdecken und demzufolge von den Gegnern der Gastraea-Theorie ganz naturgemäss als Haupt-Argumente gegen dieselbe benutzt worden sind Diese vielfachen und auffallenden Verschiedenheiten in der Eifurchung, welche anscheinend gänzlich verschiedene Keimformen zu Folge haben, lassen sich aber nur dann richtig beurtheilen und auf den ursprünglichen Entwickelungsgang der reinen Gastrulabildung zurückführen, wenn man die höchst wichtige, bisher nicht entfernt gewürdigte Unterscheidung zwischen Palingenie und Cenogenie, zwischen primären und secundären KeimungsVorgängen möglichst scharf verfolgt und durchführt. Unter den secundären cenogenetischen Erscheinungen aber, welche den primären palingenetischen Entwickelungsgang der Keimformen verdecken und fälschen, sind wieder vor Allen wichtig die einflussreichen Verhältnisse des Nahrungsdotters im Gegensatz zum Bildungsdotter, sowie die mannichfaltigen ontogenetischen Heterochronien und Heterotopien. Ausserdem sind auch einige andere Vorgänge, die auf gefälschte und abgekürzte Vererbung sich zurückführen lassen, von bedeutendem Einflusse.

Durch gehörige Verwerthung dieser Erscheinungen, durch jahrelanges Nachdenken über das Verhältniss der Palingenie zur Cenogenie, und durch die neuen Beobachtungsreihen, die ich von diesem Gesichtspunkte aus angestellt habe, ist es mir, wie ich hoffe, gelungen, alle die auffallenden Verschiedenheiten in der Eifurchung und frühesten Keimbildung der Thiere auf vier verschiedene Hauptformen zurückzuführen und von diesen letzteren wieder eine einzige als die ursprüngliche Grundform nachzuweisen, aus der sich die drei anderen Hauptformen phylogenetisch hervorgebildet haben. Diese eine Grundform ist die primordiale Eifurchung, und ihr Product die reine einfache Gastrula („, Archigastrula“), wie sie z. B. beim Amphioxus und bei der Ascidie sich noch heute findet (Vergl. die VII. synoptische Tabelle S. 408). Ferner ist es durch diese Reduction möglich geworden, bei sämmtlichen Thieren (natürlich stets mit Ausnahme der Protozoen, die überhaupt keine Keimblätter bilden) übereinstimmend jene

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fünf primitiven Entwickelungsstufen nachzuweisen, welche ich bereits in der Monographie der Kalkschwämme (Bd. I, S. 465) als gemeinsame ontogenetische Urformen sämmtlicher Metazoen hingestellt und nach dem biogenetischen Grundgesetze phylogenetisch gedeutet hatte (Vergl. die V. synoptische Tabelle S. 406). Jeder, der unter den verschiedenen, gegenwärtig möglichen, phylogenetischen Hypothesen über den Ursprung des Thierreichs die einfachste vorzieht, und demgemäss eine monophyletische Descendenz sämmtlicher Metazoen von der Gastraea annimmt, der kann jetzt auch noch weiter gehen, und fussend auf dem gemeinsamen, nunmehr nachgewiesenen Entstehungsmodus der Gastrula (durch Einstülpung der Blastula u. s. w.) auch jene fünf Urstufen der thierischen Formbildung bei allen Metazoen für homolog halten; oder mit anderen Worten - den ersten gemeinsamen Ursprung aller Thiere bis zum denkbar einfachsten Organismus, bis zum Moner hinab verfolgen. Denn bei gehöriger Berücksichtigung der verschiedenen cenogenetischen Veränderungen, welche der Nahrungsdotter in dem palingenetischen Processe der primordialen Eifurchung hervorgebracht hat, ist es in der That möglich, nicht nur die Gastrula, sondern auch die vorhergehenden vier Bildungsstufen dieser wichtigsten Keimform, auf das gemeinsame Urbild der primordialen Eifurchung bei allen Metazoen zu reduciren (Vergl. die VI. synoptische Tabelle S. 407).

Was die vier Hauptformen der Furchung betrifft (die primordiale, inaequale, discoidale und superficiale) so sind es dieselben, welche ich bereits in der Anthropogenie (S. 166) unterschieden habe. Ich hatte dort ausserdem noch zwei andere Hauptformen als pseudototale und seriale Furchung aufgeführt. Indessen lassen sich diese beiden Formen unter die inaequale Furchung subsumiren. Das Verhältniss dieser vier wichtigsten Furchungsformen zu den beiden, bisher allein unterschiedenen Hauptformen der totalen und partiellen Furchung gestaltet sich so, dass die primordiale und inaequale Furchung (rein äusserlich betrachtet) unter den Begriff der totalen, hingegen die discoidale und superficiale unter den Begriff der partiellen Furchung fallen (Tabelle VII). Jedoch sind scharfe und abschliessende Grenzen ebenso wenig zwischen unseren vier Hauptformen, als zwischen der totalen und partiellen Furchung zu ziehen. Vielmehr sind alle durch Uebergänge verbunden, und alle lassen sich auf die ursprüngliche Form der primordialen Eifurchung phylogenetisch zurückführen.

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