Imagens da página
PDF
ePub

L. mit der E. Salisburgensis Fnk., einer noch zu E. officinalis in weitestem Sinne gezählten Form, verbindet, hält er auch E. tricuspidata für eine Unterart von E. officinalis (vergl. Journ. of bot. 1873 p. 272). Bei dieser Auffassung des Sachverhalts ist das Verhältniss der Arten oder Unterarten zu einander ein völlig klares; so lange die seltene Mittelform noch existirt, ist E. tricuspidata keine selbständige Art, sie wird aber eine solche werden, sobald das letzte Exemplar der anscheinend im Erlöschen begriffenen Zwischenform zu Grunde gegangen ist. Durch Ausfallen seltener Mittelglieder würde dann vielleicht zunächst auch E. Salisburgensis eine besondere Art werden, beim Fortschreiten dieses Processes aber schliesslich der grosse Formenkreis der E. officinalis sich in eine aus engeren Formenkreisen bestehende Artengruppe verwandeln. In ähnlicher Weise würden sich die Verhältnisse bei Thymus Serpyllum, Thalictrum minus, Viola tricolor, Batrachium, Armeria, Scleranthus, auch wohl bei der DactyloidesGruppe von Saxifraga, bei Rosa, Rubus, Hieracium (vgl. NÄGELI!) u. s. w. auffassen lassen. Andererseits würden z. B. die Salices Capreae (S. Caprea, Silesiaca, grandifolia, cinerea, aurita), die europäischen Lappa- und Fragaria - Arten Beispiele von Gruppen nahe verwandter Arten sein, zwischen welchen keine Mittelformen mehr bekannt sind. Soweit erscheint das von BALL eingeschlagene Verfahren nicht unangemessen; die Consequenzen würden indess in manchen Fällen recht weit führen. Es könnte doch sehr leicht sein, dass man die ganze Gruppe des Ranunculus acer L. von R. montanus Willd. und R. polyanthemos L. bis R. velutinus Ten. zu einer Art vereinigen müsste, ebenso die sämmtlichen Centaureen der Gruppe Jacea (C. splendens L., C. Phrygia L. u. s. w.). Was aus Gattungen wie Aster, Draba oder Cochlearia werden würde, ist noch gar nicht zu übersehen, doch dürfte es kaum zu bezweifeln sein, dass das Verfahren in diesen Fällen nicht gerade zur Klärung der Sachlage beitragen möchte.

Die Erfahrung zeigt, dass an jedem einzelnen Punkte der Erdoberfläche die grosse Mehrzahl der Arten gut geschieden ist. Diese Thatsache erklärt sich dadurch, dass allzu nahe verwandte Formenkreise in der Regel durch Kreuzung zusammenfliessen. Es wird sich somit überall im Laufe der Zeit eine gewisse Stabilität der Formenkreise herausbilden, die dadurch bedingt wird, dass zwischen den einzelnen „Arten" eine geschlechtliche Absonderung eintritt. Die Mittelformen müssen von den ausgeprägten, den örtlichen Verhältnissen besser angepassten Formen absorbirt werden.

Der falsche Schluss, zu dem der Unerfahrene durch Beobachtung dieser Thatsachen und durch die theils in ungenügenden Kenntnissen, theils in der Sache selbst begründeten Mängel der Nomenclatur verleitet wird, ist der, dass die gleichnamigen Pflanzen sich in verschiedenen Gegenden auch wirklich gleich verhalten.

Mit diesen Bemerkungen könnten wir unsere Betrachtungen über die Umgrenzung der Arten schliessen. Um indess einen annähernden Begriff davon zu erhalten, ob scharfe Grenzen zwischen den Arten Regel oder Ausnahmen sind, wird man sich am besten die bekannten Baumgattungen ansehen, deren Abänderungen in verschiedenen Himmelsstrichen durchschnittlich bereits mehr Beachtung gefunden haben, als die örtlichen Varietäten der krautigen Gewächse. Gut geschiedene Arten findet man im Allgemeinen bei den Erlen, Buchen, Pappeln, manchen Gruppen von Weiden und Eichen, bei den Nussbäumen, Rosskastanien, Ahornen und Traubenkirschen. Unsicher begrenzte, durch Mittelformen verbundene Arten treffen wir namentlich bei den Kiefern, Weisstannen, Birken, asiatischen Eichen, den Kastanien, Hainbuchen, Platanen, Ulmen, Eschen, Aepfeln, Weissdornen, Pflaumen, Linden. Natürlich ist über die einzelnen Fälle noch sehr viel Meinungsverschiedenheit möglich, allein ein unbefangener Ueberblick über die bis jetzt bekannten Thatsachen wird gewiss den Eindruck hinterlassen, dass sowohl gut umschriebene, als auch unbestimmt umgrenzte Arten in grosser Zahl vorkommen. Es erhalten sich somit die Abgrenzungen unter den Arten durchaus analog den Abgrenzungen unter den Familien und Gattungen, wie unter den Abänderungen und Varietäten.

Wir können uns somit zu dem dritten Merkmal wenden, durch welches eine Art als solche erkannt werden soll, nämlich zu der Beständigkeit der unterscheidenden Merkmale in der Folge der Generationen. Die Sache bedarf kaum einer näheren Erläuterung; Formen, die unter dem Einflusse äusserer Verhältnisse, ohne Einwirkung von Kreuzungen, in einander übergehen können, dürfen nicht als Species unterschieden werden. Es ist indess sehr schwer, den Einfluss der Kreuzung bei den betreffenden Untersuchungen mit Sicherheit auszuschliessen; durch Kreuzung lassen sich aber sehr verschiedene Gewächse in einander überführen, z. B. Aegilops in Triticum. Um ein bestimmtes Beispiel zu wählen, so wird man den specifischen Unterschied von Raphanus sativus L. und R. Raphanistrum L. leugnen, falls sich die Möglichkeit der Ueberführung der vermeintlichen Arten in einander unter

Ausschluss jeder hybriden Einwirkung bestätigt. Allein man wird doch zugeben müssen, dass trotzdem ein Unterschied vorhanden ist, denn die Samen von R. Raphanistrum L. und R. sativus L. sind keineswegs gleichwerthig und es sind zur Beseitigung der Verschiedenheiten mehrere Generationen erforderlich. Angenommen, es genügen dazu unter günstigen Umständen durchschnittlich 5 Generationen, so lässt sich der Fall denken, dass es Formen giebt, die durch 10, andere, die durch 50 oder 100 oder 1000 Generationen in einander übergeführt werden können. Es würde dann die Frage entstehen, wie viele Generationen trennen zwei wirkliche Arten? Es ist doch durchaus willkürlich, anzunehmen, dass es nur solche Formen giebt, die durch wenige Generationen in einander übergeführt werden können, und solche, die absolut constant sind. Bevor man eine derartige seltsame Annahme macht, würde man doch einige Wahrscheinlichkeitsgründe dafür beibringen müssen. Unser Gesichtskreis erstreckt sich in der Regel nur auf wenige Generationen; aus diesem Grunde kann uns die Erfahrung über den Grad der Beständigkeit zweier einander nahestehenden Formen nicht eben viel lehren. Es ist indess ausserordentlich thöricht, sich auf die Länge unserer historischen Erfahrung zu berufen, um dadurch die Constanz der Species zu beweisen. Es ist nicht der mindeste Grund vorhanden, zu vermuthen, dass sich eine Pflanze z. B. unter den unveränderten natürlichen Verhältnissen Aegypten's im Laufe von 5000 oder 6000 Jahren verändert haben sollte. Die Schweizer Pfahlbauten, die zu einer Zeit errichtet wurden, als die Topographie des Landes wenig von der jetzigen abwich, weisen in ihren Resten bereits auf einzelne Abänderungen der Formen hin, die sich seit jener Zeit herausgebildet haben. Ein Urtheil über die mehr oder minder vollkommene Uebereinstimmung subfossiler oder fossiler Pflanzen mit den lebenden bleibt aber stets unsicher. Manche feineren Unterschiede, denen wir specifischen Werth beizulegen gewohnt sind, werden in fossilem Zustande sehr selten erkennbar sein. Indess haben wir einen andern Maassstab, um die Beständigkeit der Arten zu prüfen. Die arktischen und die alpinen Formen vieler Pflanzen sind aller Wahrscheinlichkeit nach seit der Eiszeit von einander getrennt, also seit einer Periode, in welcher die physischen Bedingungen des Pflanzenlebens und die Vertheilung von Land und Meer auf der Erdoberfläche durchaus anders waren als gegenwärtig. Eine grosse Anzahl von Pflanzenarten findet sich ferner sowohl in Amerika als in Europa. Die Periode, in welcher ein

Zusammenhang zwischen Amerika und Europa oder Nordasien bestanden haben mag, dürfte noch viel weiter rückwärts in der Vergangenheit zu suchen sein, als die Eiszeit. Wenn diese Anschauungen im Wesentlichen richtig sind, so folgt daraus, dass manche Pflanzenarten, z. B. die nordischen Ericaceen, seit dem pliocänen Zeitalter keine Abänderungen erfahren haben, da es doch nicht glaublich ist, dass sie überall in gleicher Weise variirt haben sollten. In andern Fällen, wo geringe Unterschiede vorhanden sind, wird man eine Umbildung eines oder des andern der beiden getrennten Stämme (wenn nicht beider) annehmen dürfen. Endlich darf nicht übersehen werden, dass in pliocänen Ablagerungen manche, in miocänen einzelne noch lebende Pflanzenformen gefunden worden sind.

Der Thatsache gegenüber, dass wenigstens einige unserer lebenden Arten in ihrer gegenwärtigen Gestalt bereits in der pliocänen, ja in der miocänen Periode vorhanden waren, verlieren alle Angaben über die Beständigkeit einzelner Pflanzenformen während der historischen Zeit jegliche Bedeutung für die Species theorie.

Das vierte Merkmal, durch welches eine Art als solche charakterisirt werden soll, ist die Unbeständigkeit der innerhalb ihres Formenkreises etwa vorhandenen Verschiedenheiten in der Folge der Generationen. Dieser Punkt ist von ganz besonderer Wichtigkeit, weil der Umfang der Arten davon abhängig ist. Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass solche Arten, die viele in einander übergehende Formen vereinigen, unhaltbar sind, wenn man an der Bedingung festhält, dass die Formenkreise innerhalb einer Art unbeständig sein müssen. Es wird daher nothwendig sein, die Frage nach allen Seiten hin unbefangen zu prüfen, um zu einer bestimmten Anschauung darüber zu gelangen, was denn eigentlich eine Art ist.

Von einigen Forschern ist zunächst geltend gemacht worden, dass Variabilität eine specifische Eigenthümlichkeit mancher Arten sei. An und für sich ist diese Behauptung nicht unrichtig, aber man hat dieselbe mitunter in einer sehr sonderbaren Weise verwerthet. Wir wissen sehr gut, dass manche unserer Culturpflanzen leicht variiren, eine Eigenschaft, die von den Gärtnern in grossem Maassstabe ausgenutzt wird. Die zahlreichen Farbenvarietäten von Althaea rosea, Matthiola, Zinnia, Chrysanthemum, Aster, Impatiens, Portulaca, Salpiglossis, Gomphrena, Hyacinthus u. s. w. sind ja allgemein bekannt. Andererseits giebt es manche

seit längerer Zeit cultivirte Gewächse, welche sehr wenig variiren, z. B. die Lilien, Narcissen, Richardia, Secale, Cannabis. In der freien Natur sind Beispiele von Varietäten, die nicht nur gemischt, sondern auch zahlreich mit einander vorkommen, ziemlich selten; indess gehören die Farbenvarietäten von Polygonum Persicaria L. Crocus vernus All. und Phlox Sibirica L. dahin, ferner die in Behaarung und Blattform schwankenden Weidenarten Salix repens, S. nigricans, S. triandra. Man hat ein gewisses Recht, in solchen Fällen die Variabilität als eine Eigenschaft der Species zu bezeichnen. Nicht ganz genau würde eine solche Bezeichnung für die Farbenvarietäten vieler Polygala - Arten sein. Angenommen, es würden irgendwo zwei neue weissblühende Pflanzenarten, eine Polygala aus der Gruppe der P. vulgaris und eine Potentilla entdeckt werden. Wenn nun einige Jahre später ein Reisender in der Heimath dieser beiden neuen Species eine blaue Abänderung der Polygala fände, so würde diese Entdeckung kaum beachtet werden. Die Nachricht von der Auffindung einer blaublüthigen Abänderung der Potentilla würde dagegen im höchsten Maasse Unglauben und Staunen erregen. Dies Beispiel zeigt, dass die Variabilität keineswegs eine der einzelnen Species eigenthümliche Erscheinung sein kann, denn man wusste in dem angenommenen Falle gar Nichts von dem Grade der Variabilität der beiden Arten. Trotzdem erscheint uns die blaue Abänderung der Polygala fast als selbstverständlich, die der Potentilla fast als unmöglich. Wir schliessen also auf die Variabilität einer unbekannten Art aus der Variabilität der Artengruppe oder Gattung, zu der sie gehört, folglich ist bei der Polygala die Variabilität in dem betreffenden Sinne eine Eigenthümlichkeit einer grossen Artengruppe, nicht einer einzelnen Art.

Man ist indess weiter gegangen und hat häufig unbedenklich Draba verna, Armeria vulgaris, Thymus Serpyllum, ja Euphrasia officinalis, Rubus fruticosus und Rosa canina im weitesten Sinne als Species valde variabiles bezeichnet. Ein solches Verfahren ist natürlich rein willkürlich. Die Ueberführung der sogenannten Varietäten dieser Pflanzen in einander ist noch Niemandem gelungen, und ist nach den bisher vorliegenden Erfahrungen auch nicht die mindeste Aussicht vorhanden, dass dieselbe je gelingen wird. Immerhin lässt sich nicht bestimmt in Abrede stellen, dass es möglich sein könnte, die Armerien in fünfzig bis hundert, die Thymus, Euphrasien und Rosen in einigen hundert und die Drabaund Rubus-Formen in einigen tausend Generationen in einander

Bd. IX, N. F. II.

25

« AnteriorContinuar »