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nähernd haltbar sind. Die Morphologie lässt uns ferner vollständig im Stich, wenn es sich um die Frage handelt, ob zwei sehr ähnliche Formenkreise Arten oder Varietäten sind. Wie steht es mit den Cedern vom Atlas, Libanon und Himalaya; wie mit Filago lutescens Jord. und F. canescens Jord.; wie mit den Glockenblumen aus der Gruppe der Campanula rotundifolia L., den Seerosen aus der Gruppe der Nymphaea alba L.? Man mag die Sache anfangen, wie man will, es ist vollständig hoffnungslos, irgend eine Grenze zu ziehen zwischen Kennzeichen, die noch als specifische Unterschiede dienen können, und solchen, durch welche nur Varietäten charakterisirt werden. Man könnte alle biologischen, chemischen, auf Färbung und Behaarung bezüglichen Merkmale als nichtspecifisch bezeichnen, man könnte alle auf Zahl und Maass beruhenden Unterschiede für unwesentlich erklären und würde doch Nichts gewonnen haben, denn in den rein morphologischen Charakteren sind die mannigfaltigsten Zwischenstufen möglich vom linealen bis zum kreisrunden Blatte (Campanula rotundifolia) und vom runden bis zum scharfkantigen Stengel (untere und obere Stengeltheile vieler Cyperaceen).

Nach diesen Betrachtungen dürfte es hinlänglich klar sein, dass die Würdigung der Merkmale zweier Pflanzenformen an und für sich keine bestimmten Schlussfolgerungen darüber gestattet, ob und in wie weit dieselben genetisch zusammenhängen. Wir erhalten durch die Untersuchung der morphologischen Charaktere Individuenreihen und Individuengruppen, die wir wiederum durch Sammelbegriffe höherer Ordnung theils zusammenfassen, theils trennen können. Es lässt sich somit zwar ein System nach morphologischen Charakteren aufbauen, aber es lässt sich nicht erkennen, ob oder in wie weit ein solches System den Thatsachen der wirklichen Abstammung entspricht.

Um nun zu bestimmen, ob ein aus morphologisch ähnlichen Organismen bestehender Formenkreis eine Art ist oder nicht, müssen andere Kennzeichen herangezogen werden. Eine wirkliche Species soll nach der Doctrin durch erhebliche und beständige, vorzugsweise morphologische Eigenthümlichkeiten so ausgezeichnet sein, dass alle zugehörigen Individuen sicher von allen andern Organismen unterschieden werden können. Es sollen also alle vermittelnden Uebergangsformen und Zwischenformen fehlen. Diese Eigenthümlichkeit, die oben als das zweite Erkennungszei

chen einer Species aufgeführt worden ist, verdient eine besondere Besprechung; und handelt es sich zunächst darum, festzustellen, ob solche scharfe Grenzen einzig und allein zwischen Formenkreisen vorkommen, die als Species bezeichnet werden können. oder nicht.

Die grossen Hauptabtheilungen des Pflanzenreiches hat man obgleich man im Wesentlichen über ihren Umfang einig ist, nach verschiedenen Charakteren zu unterscheiden gesucht. Die schärfste Unterscheidung ist die zwischen Kryptogamen und Phanerogamen oder wie man auch sagen könnte, zwischen Hygrogamen oder Pflanzen, deren Befruchtung im Wasser oder auf der benetzten Erde geschieht, und Aerogamen, oder Pflanzen, deren Befruchtung in der Luft vollzogen wird. Unter den Kryptogamen (Hygrogamen) sind die Thallophyten und Characeen in ihren vegetativen Organen für ein Wasserleben oder Parasitenleben gebaut; selbst die ihrem eigentlichen Wesen nach so problematischen Flechten sind nur scheinbar Landpflanzen, denn sie leben und wachsen nur, wenn sie nass werden, ertragen aber allerdings lange Unterbrechungen ihres Lebenszustandes durch Austrocknen. Die Muscineen und Filicineen sind ihrem Wesen nach vegetative Luftund Landpflanzen, wenn auch einzelne Gruppen sich wieder mit ihrer höheren, dem Luftleben entsprechenden Organisation dem Wasserleben accommodirt haben. Bei den Filicineen ist im Interesse einer höheren vegetativen Ausbildung das sonst in der ganzen organischen Natur gültige Princip geopfert worden, dass der Sexualact erfolgt, während sich der Organismus selbst auf der Höhe der Entwickelung befindet. Bei hochstehenden Luftpflanzen, wie die Farrn, würde, wenn dies Prinzip beibehalten wäre, auch eine Luftbefruchtung nothwendig geworden sein; die Farrn sind aber sexuell auf einer tieferen Stufe stehen geblieben; sie werfen gewissermaassen die Knospenanlagen ihrer Blüthenzweige ab, und diese entwickeln sich dann selbständig auf dem feuchten, die Wasserbefruchtung gestattenden Erdboden.

Die grossen Abtheilungen des Pflanzenreiches lassen sich daher charakterisiren als

1) Wasserpflanzen und Schmarotzer: Thallophyten und Cha

raceen.

2) Vegetative Luft-, sexuelle Wasserpflanzen:

a) Befruchtungsvorgang an der entwickelten Pflanze: Muscineen. b) Befruchtungsvorgang an der unentwickelten Pflanze: Filicineen.

3) Luftpflanzen: Phanerogamen.

Parasitismus und Rückkehr einzelner Reihen aus dem Luftleben zum Wasserleben machen die Erscheinungen etwas complicirter, die im Uebrigen, sobald man die wesentlichen Thatsachen und die im Sinne der Entwickelungstheorie gedeutete Genesis festhält, mit der grössten Klarheit hervortreten. Eine Analogie zwischen der Gliederung des Pflanzenreiches und der Gliederung des Wirbelthierreiches ist unverkennbar und beruht dieselbe in den Wirkungen der Accommodation an das Luft- oder an das Wasserleben. Der absolute Unterschied, der zwischen Luft- und Wasserleben, Luft- und Wasserbefruchtung, Geschlechtsthätigkeit im höchstentwickelten und im embryonalen Zustande besteht, erklärt die Nothwendigkeit scharfer Grenzen zwischen den jenen Accommodationsverhältnissen entsprechenden Classen. Unter den Phanerogamen ist der Unterschied zwischen Monocotyledonen und Dicotyledonen ein scharfer, weil der Unterschied zwischen 1 und 2 ein scharfer ist; die morphologische Annäherung mancher Dicotyledonengruppen (Piperaceae, Polygoneae) an die Monocotyledonen ist indess unverkennbar. Die weiteren Eintheilungen der Phanerogamen sind mehr oder minder künstliche; morphologische Verhältnisse, Lebensbedingungen, Thier- und Pflanzenwelt haben in mannichfaltigster Weise die Entwickelung der einzelnen Organismen beeinflusst, so dass dieselbe in den verschiedensten Richtungen erfolgt ist.

Um indess zu den einfachen gegebenen Thatsachen zurückzukehren, so braucht man sich nur an Familien wie die Characeae, Lycopodiaceae, Cycadeae, Palmae, Aroideae, Orchideae, Labiatae, Ericaceae, Umbelliferae, Cucurbitaceae, Cruciferae u. s. w., oder an Gattungen wie Sphagnum, Equisetum, Isoëtes, Eriophorum, Potamogeton, Iris, Casuarina, Quercus, Plantago, Digitalis, Begonia, Bupleurum, Rosa, Thalictrum zu erinnern, um Beispiele scharf abgegrenzter grösserer Formenkreise vor Augen zu haben. Andererseits sind aber auch zahlreiche Beispiele von Familien und Gattungen bekannt, deren Grenzen sehr schwer zu bestimmen sind, z. B. die Liliaceae, Amentaceae, Amarantaceae, Saxifragaceae, Hyacinthus, Senecio, Genista u. s. w. - Die scharfen Grenzen

sind aber keineswegs eine Eigenthümlickeit der weiteren Formenkreise; sie kommen eben so wohl bei den engsten vor. Als die unerheblichsten Modificationen gelten im Allgemeinen die Abänderungen in der Blüthenfarbe. Dieselben können sehr allmählich abgestuft sein, z. B. bei Crocus vernus All., Erythraea litoralis Fr.,

Erica Tetralix L., Anemone nemorosa L., Achillea Millefolium 'L., Pflanzen, bei denen sich alle Mittelglieder zwischen weiss und roth, resp. blau vorfinden. Häufiger sin indess diejenigen Fälle, in denen ausschliesslich die ausgeprägten Farben vorkommen, so dass Mittelformen fehlen oder sehr selten sind. Beispiele sind: Campanula persicifolia L., Lappa tomentosa Lam., Calluna vulgaris Salisb., Symphytum officinale L., Raphanus Raphanistrum L., ferner die manchmal als besondere Arten betrachteten abweichend gefärbten Formen von Anemone alpina L., Papaver alpinum L., Scabiosa columbaria L., Phyteuma spicatum L., Datura Strammonium L., einigen Anagallis-Arten u. s. w. Auch die Färbung der Früchte zeigt manchmal scharfe Unterschiede, z. B. bei Actaea, Atropa, Solanum, Crataegus, Cotoneaster, Vaccinium Myrtillus u. a. m. Aehnliche bestimmt ausgesprochene Verschiedenheiten bieten mitunter die Behaarung (z. B. bei Spiraea Ulmaria L., Potentilla verna L., Veronica scutellata L.) oder Flecken auf den Blättern (Pulmonaria officinalis L.) oder die Blattform (Variet. monophyllae von Fraxinus, Robinia, Juglans und Fragaria). Ferner gehören zu den leichten, aber scharf ausgeprägten Verschiedenheiten die strahlblüthigen und strahllosen Blüthenköpfchen bei Aster Tripolium L., Bidens cernuus L., Senecio Jacobaea L., Chrysanthemum corymbosum L. u. s. w., die stacheligen und stachellosen Früchte bei Ranunculus arvensis L. und Datura Strammonium L., die braunen Blätter bei Varietäten von Oxalis corniculata L., Fagus silvatica L., Corylus u. s. w.; endlich mag an Lilium bulbiferum L. und L. croceum Chaix, sowie an Pfirsich und Nectarine und an die bereits erwähnten Fälle von Raphanus, Rosa Hampeana und Valerianella carinata erinnert werden. Die Gärtner sind der Ansicht, dass die ,,sprungweise" auftretenden Abänderungen viel häufiger sind als die allmählichen. Indess gilt diese Regel keineswegs von allen Eigenschaften; bekannt ist z. B., dass zwischen immergrünen und sommergrünen Pflanzen alle Zwischenstufen gefunden werden.

Es ist daher wohl hinreichend klar, dass scharfe Grenzen zwischen den Formenkreisen auf allen Stufen der Systematik, bei den Classen, Ordnungen, Familien und Gattungen sowohl wie bei den leichtesten Abänderungen vorkommen; es kann daher wohl vorausgesetzt werden, dass sie bei den Arten nicht fehlen werden, mag man nun den Begriff derselben weit oder eng fassen.

Da man, wie gezeigt, nicht im Stande ist, den wahren Umfang einer Art allein nach den morphologischen Merkmalen zu erkennen, so hat man den Versuch gemacht, die Arten, je nach

dem sich eine Grenze findet, eng oder weit zu fassen. So z. B. hält WIGAND (Darwinismus S. 69) es für möglich, dass die Adonis aestivalis L. var. citrina, die sich nur durch die Blüthenfarbe unterscheidet, eine eigene Art bildet, während er andererseits als Beispiele wirklicher Arten mit besonderer Vorliebe Rubus fruticosus (S. 17, 23, 63) und Rosa canina (S. 17, 211, 227) aufführt, beide im denkbar weitesten Sinne genommen (,,3 einheimische RubusArten" S. 23). Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass sich innerhalb dieser sehr weiten Formenkreise zahlreiche engere samenbeständige Formenkreise finden, die sich durch weit wichtigere Merkmale als durch die Färbungsverhältnisse scharf von allen andern Formen abgrenzen lassen. Es ist sicherlich ein untrügliches Zeichen von Unwissenheit über einen bestimmten Gegenstand, wenn man einfache Fragen als zweifelhaft, schwierige und verwickelte dagegen als vollkommen gelöst hinstellt. Es gilt indess einmal als ein Zeichen von Scharfsinn und feiner Beobachtungsgabe, wenn der Systematiker recht scharf zwischen den Species unterscheidet, während er die innerhalb der Species vorkommenden engeren Formenkreise als verschwommen und unsicher begrenzt darzustellen hat. Oberflächlichkeit und Willkür in der Beobachtung der Thatsachen werden durch diese Neigung, die vermeintlichen Species zu trennen, die sogenannten Varietäten zu verbinden, ausserordentlich begünstigt. Die Annehmlichkeit, ein gutes systematisches Schema zu besitzen, ist so gross, dass man gänzlich übersieht, wie wenig sich die wirklichen Pflanzen an die Reglements der Bücher und Diagnosen kehren. Der gewissenhafte Forscher, der sich vorsichtig ausdrückt und sich scheut, die Thatsachen zu entstellen, findet wenig Aufmerksamkeit, wenn die Ergebnisse seiner Beobachtungen, wie es so oft der Fall ist, nicht in die Fächer des Systems passen.

Von andern Seiten ist der Grundsatz, die durch Zwischenstufen verbundenen engeren Formenkreise unter einen gemeinsamen Artnamen zusammenzufassen, mit mehr Verständniss und Sachkunde in Anwendung gebracht worden. Ein interessantes Beispiel bieten Z. B. die Euphrasien, aus der Gruppe der E. officinalis L. Dieselben treten in Nordeuropa in wenigen Formen auf, die aber nach Süden zu, namentlich in den Alpen, sehr zahlreich werden und zum Theil sehr beträchtlich von einander abweichen. Als eine durchaus verschiedene Art galt bisher die südeuropäische E. tricuspidata L. Nachdem BALL nun aber kürzlich in einem Thale Friaul's eine seltene Mittelform gefunden hat, welche die E. tricuspidata

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