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ten Formenkreises. Es wird daher nothwendig sein, die einzelnen Anforderungen an eine gute Species gesondert zu besprechen.

Man mag über den Ursprung der Arten denken, wie man will, so ist doch, wie es scheint, Jedermann damit einverstanden, dass die Art als eine genetische Einheit aufzufassen ist. Wir sehen, dass die Organismen von nachweisbar gleicher Abstammung einander sehr ähnlich sind, wir sehen aber auch, dass sie sich keineswegs völlig gleichen, sondern dass sich, namentlich nach mehreren Generationen und unter wechselnden äusseren Umständen, mehr oder minder deutliche Verschiedenheiten herausstellen. Der Betrag dieser erfahrungsmässig ermittelten Verschiedenheiten ist bald grösser bald kleiner. Wir rechnen nun unbedenklich zu derselben Art alle diejenigen Organismen, die nicht viel mehr Abweichungen von den unzweifelhaft genetisch zusammengehörigen Individuen zeigen, als diese unter sich.

Nach dem Maassstabe dieser Erfahrung würden die Arten im Allgemeinen sehr eng ausfallen; kein Mensch würde daran denken, den Weissen und den Neger unter einen Artbegriff zu bringen, denn niemals ist beobachtet, dass unter den Nachkommen der Weissen auch Individuen von grosser Negerähnlichkeit auftreten. oder umgekehrt. Indess giebt es andererseits Beispiele, dass im Laufe der Zeit sehr zahlreiche und bedeutende Abänderungen aus einer und derselben Art hervorgegangen sind. Im Pflanzenreiche sind aber fast alle diese Beispiele nicht frei von dem Verdachte, dass Kreuzung ursprünglich getrennter Formen an den beträchtlichen Verschiedenheiten, die sich allmählich herausgebildet haben, einen wesentlichen Antheil hat. Der Einfluss von Boden und Klima auf die Umbildung der Formen ist viel geringer, als man in der Regel angenommen hat; die Wirksamkeit dieser Factoren bethätigt sich nur dann, wenn sie ein besonders bildungsfähiges Material vorfinden, wie es namentlich durch Kreuzung hervorgebracht wird.

Es wird nun unsere Aufgabe sein, zu untersuchen, ob und in wie weit sich die pflanzlichen Formenkreise mit Hülfe der angegebenen Merkmale als Arten charakterisiren. Zunächst ist also die Bedeutung und die wirkliche Tragweite jedes einzelnen der sechs Merkmale zu erörtern. Daran wird sich naturgemäss eine Besprechung des Artbegriffes und der Descendenztheorie reihen. Es wird sich dann empfehlen, die wesentlichen Thatsachen noch einmal in anderer Gruppirung zu vergleichen, und schliesslich

einige der bemerkenswertheren Einwände zu prüfen, welche gegen die Entwickelungstheorie erhoben worden sind.

Das erste und wichtigste Kennzeichen der ,,Art" ist die vollständige morphologische Aehnlichkeit aller Individuen des betreffenden Formenkreises. Schon unsere bisherigen Betrachtungen lassen es indess von vornherein als unmöglich erscheinen, festzustellen, wie gross der Betrag der Abweichung sein muss, um zwei Formen als zu verschiedenen Species gehörig zu charakterisiren. Es ist daher auch den Systematikern sehr wohl bekannt, wie leicht man in offenbare Irrthümer verfällt, wenn man die Pflanzen einzig und allein nach den äusseren Merkmalen in Arten zu scheiden sucht. Irgend bestimmte Principien darüber, wie die Kennzeichen beschaffen sein müssen, welche zwei Arten trennen, giebt es nicht.

Neben den morphologischen Unterschieden kommen unzweifelhaft auch chemische und physiologische vor, die keineswegs unbeachtet gelassen werden dürfen. Neuerdings legt man, wenigstens in Deutschland, den rein biologischen Thatsachen nicht viel „,specifischen Werth" bei. Man leugnet zwar die Bedeutsamkeit solcher Erscheinungen, z. B. der Lebensdauer, der Widerstandsfähigkeit gegen Frost, der Blüthezeit u. s. w., keineswegs, erachtet sie aber an und für sich nicht wichtig genug, um wirkliche ,,Arten" dadurch zu unterscheiden. Man wird indess wohl thun, die Bedeutsamkeit der biologischen Eigenthümlichkeiten nicht zu unterschätzen. Es ist unter den Gärtnern noch ein Streitpunkt, ob und in wie weit sich Pflanzenarten an Kälte gewöhnen" lassen. Man glaubt im Allgemeinen, dass die specifische Organisation einer Pflanze auch den Grad ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Frost bedingt; jedenfalls muss anerkannt werden, dass die Fähigkeit, bestimmte Temperaturen zu ertragen, ein biologisches Merkmal ist, welches sich, so weit die Erfahrung reicht, in den meisten Fällen als sehr beständig bewährt hat, welches auch weit geringeren Schwankungen unterworfen ist, als viele morphologische Kennzeichen. Auch den chemischen Eigenschaften der Pflanzen pflegt man wenig specifischen Werth" beizulegen; der Gehalt an gewissen auffälligen Stoffen, Farbe, Geruch und Geschmack gelten als zu veränderlich, um Arten als solche zu charakterisiren. Man wird indess zugeben, dass der Bitterstoff bei einigen PolygalaArten, der Pfefferstoff bei Polygonum Hydropiper, das Cumarin bei Anthoxanthum odoratum, endlich auch der Geruch und die Farbe mancher Blüthen und Früchte eine sehr bemerkenswerthe Be

ständigkeit zeigen, so dass Gewächse, die einander morphologisch sehr ähnlich sind, in der That durch chemische Charaktere besonders leicht und sicher unterschieden werden können.

Die wichtigsten Kennzeichen der Arten sind indess unstreitig die morphologischen. Die höheren Einheiten im Pflanzenreiche, die Gattungen, Familien, Classen und Hauptabtheilungen, werden ausschliesslich nach morphologischen Merkmalen von einander ab-` gegrenzt. Es würde also nur consequent sein, wenn man auch die Arten und Varietäten in ähnlicher Weise ausschliesslich durch morphologische Eigenthümlichkeiten unterscheiden wollte. Allein eine solche Eintheilung würde in vielen Fällen unnatürlich sein, sie würde Pflanzen, die genetisch unzweifelhaft zusammenhängen, aus einander reissen. Man ist im Allgemeinen übereingekommen, zur Unterscheidung der Gattungen die Merkmale zu benutzen, welche der Bau der Blüthen und Früchte bietet. Allein auch darin ist keine strenge Consequenz möglich. Es giebt Pflanzen, die

ganz abgesehen von den sexuellen Differenzen zweierlei Blüthen tragen (z. B. einige Arten von Viola, die Blüthenstände mit heteromorphen Rand- oder Gipfelblüthen); ebenso giebt es Pflanzen mit zweierlei Früchten (z. B. Dimorphotheca, einige Polygonum- und Atriplex-Arten). Der Unterschied in der Gestalt dieser Früchte ist beträchtlich genug, um darauf unter andern Umständen zwei gut charakterisirte Gattungen gründen zu können. Andererseits giebt es grosse Pflanzengruppen, in denen der Bau der Blüthen und Früchte so gleichförmig ist, dass man in ihnen gar keine wirklichen Anhaltspunkte zur Umgrenzung von Gattungen findet (z. B. Vicieae). Endlich giebt es wiederum Beispiele, dass zwei deutlich verschiedene Gattungstypen sich gelegentlich in einander umwandeln ;; so gleichen z. B. die normalen Blüthen der Gattung Diclytra den Pelorien von Corydalis. In einigen Fällen unterscheiden sich zwei verschiedene Formenkreise fast ausschliesslich durch Gattungsmerkmale, während sie im Uebrigen völlig oder nahezu übereinstimmen, so Raphanus und Raphanistrum, Ramondia und Haberlea, Amygdalus communis und Persica. Man wird in diesen Fällen Bedenken wegen der specifischen Verschiedenheit der betreffenden Gewächse nicht unterdrücken können, wie denn auch die Zusammengehörigkeit von Raphanus und Raphanistrum bereits nachgewiesen worden ist.

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Die morphologischen Speciesmerkmale werden von allen Theilen der Pflanze entnommen. Besondern Werth legt man Unterschieden in den Wachsthumsverhältnissen, der Sprossfolge und

der Gestalt der wichtigeren Organe bei. Absolute Grössenverhältnisse gelten mit Recht als wandelbar, relative dagegen als durchschnittlich beständiger. Den Zahlen schreibt man einerseits eine sehr hohe Wichtigkeit zu, und meint, dass man durch dieselben die grossen Ordnungen charakterisiren könne, andererseits glaubt man sie nur mit Vorsicht zur Unterscheidung von Arten verwerthen zu dürfen. Man sieht wie in den Blüthenorganen Zahlen wie 4 und 5, 3 und 6, 4 und 8, 6 und 8, 1-5 und 10, 8 und 10 häufig genug mit einander wechseln, in den Blattquirlen auch 2 und 3. Die Wahrheit ist, dass die Zahlenverhältnisse in manchen Familien (Cruciferae, Leguminosae, Umbelliferae, Compositae, Labiatae u. s. w.) sehr beständig, in andern (Ranunculaceae, Alsineae, Saxifragaceae, Caprifoliaceae, Polygoneae u. s. w.) dagegen sehr wandelbar sind. Die Form der Blätter ist bei manchen Arten beständig, bei andern veränderlich, ganz abgesehen von den Pflanzen mit verschieden gestalteten Blättern, von denen manchmal nur die eine Form ausgebildet wird. Die krausblättrigen, schlitzblättrigen und ganzblättrigen Varietäten können als Abweichungen, die einer besondern Kategorie angehören, aufgefasst werden, dagegen ist die Veränderlichkeit der normalen Blattformen bei vielen Pflanzenarten bekannt. Im Ganzen gehören indess die der Blattform, den Nebenblättern, den Wachsthumsverhältnissen, der Verästelung der Achsenorgane (Blüthenstand) u. s. w. entlehnten specifischen Merkmale zu den besten und constantesten. Die Oberhaut bietet namentlich durch die Trichombildungen mannichfaltige Charaktere, die indess mit Recht als wenig beständig gelten.

Es giebt einzelne Arten, die nur durch ein einziges, gutes und scharfes Kennzeichen unterschieden werden, z. B. Valerianella olitoria Mnch. und V. carinata Lois., oder Rosa alpina L. und R. Hampeana Griseb., oder Juncus bufonius L. und J. sphaerocarpus Nees; in allen drei Fällen liegt der wesentliche Unterschied in der Fruchtform, da die begleitenden sonstigen Abweichungen unerheblich sind. Durch die Gestalt der Früchte unterscheiden sich auch z. B. die Racen von Berberis Aquifolium Pursh und Pirus aucuparia Gaertn. In der Gestalt der Blüthenköpfchen weichen Scabiosa columbaria L. und Sc. ochroleuca L. von einander ab, in diesem Falle ist in der Regel, aber allerdings nicht immer, eine verschiedene Blüthenfarbe mit der Formverschiedenheit verbunden. In den Blättern sind Dryas octopetala L. und Dr. integrifolia Vahl, Hepatica triloba Gil. und H. angulosa Fuss, Primula chinensis typica und Pr. chinens. macrophylla, oder Camelina sativa Crntz.

und C. dentata Pers., in der Behaarung Herniaria glabra L. und H. hirsuta L., im Winden die cultivirten Phaseolus-Racen (ein Beispiel, welches sich ganz besonders zur Illustrirung der gelehrten Deductionen bei WIGAND, Darwinismus S. 131 empfiehlt!) von einander verschieden. Auch in diesen Fällen sind mit den abweichenden Hauptmerkmalen geringfügige sonstige Unterschiede verbunden. Man pflegt indess mit vollem Rechte Zweifel gegen die specifische Verschiedenheit solcher Formenkreise zu hegen, die sich nur durch ein einziges Kennzeichen unterscheiden. In einigen Fällen gleichen sich zwei Pflanzenformen vollständig, bis auf zwei Unterscheidungsmerkmale, so Malva borealis Wallm. und M. neglecta Wallr.; in der Regel sind selbst nahe verwandte Arten durch zahlreiche Charaktere verschieden, von denen freilich oft nur einzelne eine schärfere Abgrenzung gestatten (Melandryum, Cerastium, Stellaria, Lappa). Man ist übrigens bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse nicht in der Lage, zu beurtheilen, ob untergeordnete Merkmale, die neben einem wesentlicheren Unterschiede vorkommen, einfache Correlationserscheinungen sind, oder ob sie eine selbständige Entwickelung der abweichenden Form in verschiedenen Richtungen anzeigen. Bei einer Reihe von RubusArten habe ich das Vorkommen von Varietäten beobachtet, die sich durch einen constanten Complex von Charakteren auszeichnen, nämlich durch tief eingeschnittene, also mehr oder minder geschlitzte Blätter, stärker verästelte Blüthenstände, kleinere Blüthen, Verringerung der Zahl und Grösse der Stacheln. Offenbar besteht eine bis jetzt noch nicht genügend zu deutende Correlation zwischen diesen Eigenthümlichkeiten, so dass die Varietäten, die scheinbar durch vier oder fünf Kennzeichen abweichen, in Wahrheit nur als einfache Abänderungen aufzufassen sind, weil die verschiedenen Merkmale einander gegenseitig zu bedingen scheinen. Es zeigt sich in einigen Fällen, dass anscheinend wichtige und tiefgreifende morphologische Verschiedenheiten in Wirklichkeit doch keine specifischen Differenzen bedingen. Ich will nicht wieder auf die in verschiedene Gattungen gestellten leichten Abänderungen zurückkommen, auch nicht an Fragaria monophylla L. erinnern, sondern nur auf Fälle verweisen, wie die von Salix triandra L. (bei LINNÉ Zwei Arten) und S. repens L. (bei LINNÉ drei oder vier Arten, bei den nächsten Nachfolgern noch einige mehr, z. B. S. argentea, S. fusca u. s. w.). Man hat sich jetzt vollkommen überzeugt, dass in dem Formenkreise dieser so verschieden gestalteten Pflanzen keinerlei Abgrenzungen auch nur an

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