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gen Eingeweiden getrennt bei Fragen der Innervirung discutirt werden muss. Der Begriff,,Eingeweide" ist ja überhaupt ein so roher, so wenig morphologisch begründeter, und kann hinsichtlich der ihm einzureihenden Systeme bei den einzelnen Thierklassen so ganz verschieden aufgefasst werden, dass man ihn bei wissenschaftlichen Erörterungen lieber nicht verwenden, und ihm nur aus Zweckmässigkeitsrücksichten in der beschreibenden Zootomie noch einen Platz belassen sollte.

Kehren wir nunmehr zurück zu der oben aufgeworfenen Frage, welcher Theil des Nervensystemes denn als Eingeweidenervensystem aufgefasst werden müsse. Halten wir unser Ergebniss fest, dass die Begriffe des cerebrospinalen und des sympathischen Nervensystems nicht physiologische, sondern morphologische sind, und wenden wir uns nunmehr wieder zum Nervensysteme der Pulmonaten, so kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass unsere Bauchganglienkette nicht dem Eingeweidenervensysteme zugezählt werden darf. Die Bauchganglienkette, welche bei den Limnaeiden zeitlebens in dieser Form sich erhält, bei den Heliciden späterhin zu einem Ganglion zusammenwächst, welches identisch ist mit dem seit langer Zeit als Eingeweide- oder Mantelganglion bezeichneten, giebt Nerven ab an die verschiedensten Organe und Theile des Körpers. Denn wenn auch einerseits der Geschlechtsapparat, das excretorische und das Gefässsystem von hier aus innervirt werden, so treten andere Zweige zur Körperoberfläche, zum Mantel und der Athemhöhle. Da man die letzteren absolut nicht zum sympathischen Nervensystem zählen kann, so bliebe nur noch die eine Möglichkeit gerade dasjenige Ganglion der Bauchganglienkette, resp. die Partie das Eingeweideganglion, aus welcher der Genitalnerv entspringt, als sympathisch zu bezeichnen, wobei man z. B. bei Limnaeus doch wieder einen Mantelnerven aus dem Eingeweideganglion würde entspringen lassen müssen. Solchen Thatsachen gegenüber kann man wohl nicht mehr festhalten an der Annahme, dass das Eingeweide- oder Mantelganglion zum sympathischen Nervensystem zu rechnen sei. Dagegen wird man nach wie vor die Buccalganglien mit den von ihnen auf den Darmtractus tretenden Nerven als sympathische bezeichnen müssen, ebenso wie etwaige andere dem Darm in seinem weiteren Verlaufe auflagernde und ihn innervirende Ganglien. Hiermit steht denn auch das morphologische Verhalten in vollem Einklange. Das Hirn- oder obere Schlundganglion entspricht nach seiner Lage, wie nach dem Verbreitungsbezirke seiner Nerven ganz dem gleich

namigen Ganglion der gegliederten Würmer und der Arthropoden, wogegen das Buccalganglion mit der ursprünglichen Anlage des Centralnervensystems nicht in ähnliche Beziehungen gebracht werden kann, vielmehr als eine erst später erworbene Neubildung aufzufassen ist.

Dürfen wir hoffen hiermit die bisherige Auffassung widerlegt zu haben, nach welcher das Eingeweide- oder Mantelganglion zum sympathischen Nervensysteme gestellt wurde, so fragt es sich, welche morphologische Deutung dann die richtige sei. Mit dem oberen Schlundganglion sind jederseitts durch 2 Commissuren zwei andere Ganglien verbunden. Eine der beiden Schlundcommissuren tritt an das Fussganglion, die andere an das Eingeweideganglion resp. an die ihm entprechende Bauchganglienkette, und es ist nun zu untersuchen, welches derselben der Bauchganglienkette der Würmer homolog sei. Der bisherigen, von uns nicht getheilten Annahme zufolge wäre es das Fussganglion. Während aber das Fussganglion niemals in eine Ganglienkette aufgelöst erscheint, finden wir diess als das regelmässige Verhalten bei dem Eingeweideganglion der Pulmonaten, ein beachtenswerthes Moment, das uns von vornherein geneigt machen muss, die Bauchganglienkette der Mollusken für homolog mit derjenigen der Würmer zu halten. Das Fehlen von transversalen Commissuren zwischen den einzelnen Ganglienpaaren der Bauchkette kann nicht gegen unsere Auffassung geltend gemacht werden, denn dasselbe Verhalten kommt auch manchen segmentirten Würmern wie z. B. Malacobdella zu. Sehr für unsere Deutung spricht dagegen die Vertheilung der Nerven. Aus dem Fussganglion entspringen nur die Nerven für den Fuss, eine, den Würmern fehlende, erworbene Neubildung der Mollusken, und auch dieser Umstand wird es uns nicht wahrscheinlich machen, dass der Bauchganglienkette der Würmer ein Ganglion homolog sein solle, dessen Nerven sich zu einem bei den Würmern fehlenden Gebilde begeben. Sehen wir daher von dem Fusse und seinem Ganglion ab, so versorgt die Bauchganglienkette der Pulmonaten in der That wie diejenige der Würmer alle Theile des Körpers, welche nicht vom Hirne oder dem sympathischen Nervensysteme innervirt werden. Wir halten uns daher für berechtigt, gegenüber der bisherigen Annahme nicht das Fussganglion, sondern das Eingeweide- oder Mantelganglion resp. die ihm entsprechende Bauchganglienkette der Pulmonaten für homo

log mit der Bauchganglienkette der gegliederten Würmer zu erklären.

Weist uns schon die Existenz einer doppelten Schlundcommissur bei den Pulmonaten darauf hin, dass hier etwas andere Verhältnisse als bei den Würmern vorliegen, resp. dieselben complicirter erscheinen durch das Hinzutreten eines neuen, dort fehlenden Ganglions, so kann über die Deutung des Fussganglions jetzt wohl kein Zweifel mehr obwalten, nachdem wir gesehen haben, wie das obere Schlundganglion der Pulmonaten dem gleichnamigen Ganglion der gegliederten Würmer, das Eingeweide- oder Mantelganglion jener aber der Bauchganglienkette der letzteren homolog ist. Es stellt uns das Fussganglion eine den Mollusken charakteristische Neubildung dar, deren Entstehung durch die Ausbildung des Fusses verständlich wird. Hierbei wird uns denn auch die Anlage der Commissuren völlig begreiflich. Nehmen wir an, die Bildung der Fussganglien habe ihren Ausgang genommen von einem einfacheren Stadium, auf welchem die Theile der Bauchfläche, die jetzt von dem Fusse eingenommen werden, von dem oberen Schlundganglion und dem ersten Ganglion der Bauchkette innervirt waren, so wird es uns nicht wundern können, wenn auch späterhin noch die Fussganglien gerade mit diesen beiden Centren verbunden sind. Ob die Fussganglien unter einander durch eine Commissur verbunden sind, vermag ich nicht zu sagen, da ich beide Ganglien zwar von Anfang an sehr nahe zusammenliegend fand, ohne jedoch eine Verbindung zwischen ihnen deutlich nachweisen zu können.

Andererseits aber ist es wohl überhaupt nicht gerechtfertigt, zu erwarten, dass irgend ein Theil des centralen Nervensystems der Würmer unserem Fussganglion homolog sei. Denn Homologieen dürfen wir doch nur dort anzutreffen erwarten, wo schon bei den phylogenetischen Vorgängern eines Thieres die gleichen oder ähnliche Verhältnisse der Gestalt und Organisation vorlagen. Hier ist diess offenbar nicht der Fall. Andererseits liess sich wohl von vornherein erwarten, dass eine so wichtige Umänderung im Körperbau, wie sie uns in der Entstehung des Fusses bei den Mollusken vorliegt, auch im Nervensysteme ihren entsprechenden Ausdruck finden müsse. Ueberall sehen wir die Ausbildung des Nervensystemes im Einklange stehend oder richtiger gesagt abhängig von der jedesmaligen besonderen Beschaffenheit des Körpers und seiner Organsysteme. So treffen wir, um nur ein Beispiel anzuführen, bei den mit Siphonen ausgestatteten Lamellibranchien ein eigenes

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Siphonalganglion, welches den Asiphonien abgeht; es hat die Neubildung des Sipho auch die Neubildung eines eigenen Ganglion zur Folge gehabt. Es kann daher auch die, an keinen Theil des Nervensystems der Würmer sich anlehnende stattliche Entwickelung des Fussganglion der Mollusken uns nicht im geringsten befremden.

Bis jetzt war immer nur vom Nervensysteme der Pulmonaten die Rede, nicht von dem der anderen Mollusken, während es doch von selbst einleuchtet, dass die Phylogenie der Pulmonaten nicht von derjenigen der anderen Cephalophoren, ja der Mollusken überhaupt getrennt werden kann. Der Grund, weshalb diess geschah, und warum ich auch hier nicht näher auf die Morphologie des Nervensystems der anderen Mollusken eingehe, liegt einfach in der Beschränkung, die mir geboten wird durch den Mangel von solchen Untersuchungen über das Nervensystem der übrigen Mollusken, wie sie jetzt für die Pulmonaten schon vorliegen. So wenig ich es bezweifele, dass z. B. das Kiemen- oder Eingeweideganglion der Lamellibranchien mit dem der Pulmonaten homolog ist und daher gleichfalls mit dem sympathischen Nervensysteme nichts zu thun hat, so verzichte ich doch aus den angedeuteten Gründen ganz auf ein näheres Eingehen auf das Nervensystem der übrigen Mollusken, in der Hoffnung, bald durch eigene Untersuchungen zuverlässigeren Boden hierfür zu gewinnen.

Es scheint mir geeignet, hier am Schlusse des Abschnittes die allgemeinen Ergebnisse übersichtlich zusammenzufassen, zu welchen wir hinsichtlich der Deutung der verschiedenen Abschnitte des centralen Nervensystems der Pulmonaten gelangten. Nach der herrschenden Auffassung soll das obere Schlundganglion der Mollusken dem gleichen Theile der gegliederten Würmer, das Fussganglion deren Bauchganglienkette homolog sein, wogegen des Mantel- oder Eingeweideganglion gemeinsam mit dem Buccal ganglion zum sympathischen oder Eingeweidenervensystem gehören soll. Nach der von mir hier vertretenen Auffassung dagegen ist wohl die Deutung des oberen Schlundganglion richtig, nicht aber die der übrigen Theile des Centralapparates, indem das Eingeweide- oder Mantelganglion resp. die ihr entsprechende Ganglienkette der Bauchganglienkette der Würmer homolog ist, das Fussganglion aber eine für die Molluken charakteristische durch die Ausbildung des Fusses bedingte Neu

bildung darstellt. Das sympathische oder Eingeweidenervensystem reducirt sich auf die Buccalganglien mit ihren zu den Mundtheilen, den Speicheldrüsen und dem Darmtractus tretenden Nerven, wogegen der Genitalapparat, das Gefäss- und das excretorische System vom Mantelganglion innervirt werden.

Zur Erläuterung des Gesagten soll die schematische Fig. 16 dienen, welche die Anordnung des Nervensystems von Helix giebt. Es ist dabei das sympathische Nervensystem roth gehalten, wogegen die Fussganglien gelb, das Hirn mit Bauchganglienkette blau colorirt sind. Dieses Schema enthält übrigens nichts, als was wir oben bei dem Nervensysteme der Helixembryonen nachzuweisen im Stande waren. Das einzige nicht genau den wirklichen Verhältnissen entsprechende ist die Länge der einzelnen Commissuren, die der Uebersichtlichkeit halber grösser genommen wurde.

5) Der Geschlechtsapparat.

Die Genese des Geschlechtsapparates der Pulmonaten ist bis jetzt sehr unvollkommen bekannt. Die bisherigen Untersuchungen beschränken sich eigentlich auf die Arbeit von EISIG1) über die Entwickelung der Geschlechtsorgane von Limnaeus, welche indessen noch manche Lücken bietet, die gerade für die Vergleichung mit der Entwickelung des Geschlechtsapparates von Helix sich empfindlich bemerkbar machen. Nach EISIG Soll sich der Geschlechtsapparat nicht gleichmässig in seiner ganzen Länge anlegen, sondern in drei Abschnitten, welche erst später mit einander in Verbindung treten. Diese Angabe, welche an und für sich durchaus nichts Unwahrscheinliches enthält, steht in directem Gegensatze zu der von mir bei Helix beobachteten Anlage des Genitalapparates. Hier entsteht nämlich gleich in der ganzen Länge das Material, aus welchem sich die einzelnen Abschnitte des Geschlechtsapparates bilden. Bedenkt man die von EISIG selbst hervorgehobene grosse Schwierigkeit dieser Untersuchungen, so ist der Gedanke jedenfalls nicht ohne weiteres zurückzuweisen, es könne wohl die zarte Verbindungsmasse von EISIG beim Präpariren verletzt oder übersehen worden sein, in welchem Falle auch bei Limnaeus die ursprüngliche Anlage des Geschlechtsapparates eine einheitliche sein würde.

1) Zeitschr. f. wiss. Zool. XIX. 1869 S. 297-321.

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