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II. Ueber die Bedeutung der beschriebenen Entwicke

lungsvorgänge.

Um zu einem richtigen Verständnisse der beschriebenen Entwickelungsvorgänge zu gelangen, ist es nöthig, drei Gruppen von Erscheinungen einer aufmerksamen Betrachtung zu unterziehen. Diese sind:

1) Die Formveränderungen des Embryo,

2) Die Reihenfolge der Entstehung der Organ-Systeme (ontogenetische Succession nach HAECKEL),

3) Die Beziehungen der Organ-Systeme zu den Keimblättern.

I. Unter den Formveränderungen des Embryo verstehen wir alle Veränderungen der äusseren Form und morphologischen Individualität des Embryo vom Beginne seiner Entwickelung bis zum Verlassen des Eies. Da aber ein Verständniss der ontogenetischen Vorgänge nur durch eine Zurückführung derselben auf phylogenetische Ursachen ermöglicht wird, so wollen wir versuchen, die Formveränderungen des Embryo von phylogenetischen Vorgängen abzuleiten.

Schon die allerersten Vorgänge am befruchteten Schneckenei, das Verschwinden1) und nachherige Wiederauftreten des Keimbläschens, deuten darauf hin, dass die ältesten Vorfahren der Gastropoden wie aller anderen Organismen Lebewesen von der allereinfachsten Beschaffenheit, ähnlich den heute noch existirenden Moneren, waren, die sich erst später durch Differenzirung eines Kernes zu Organismen vom Formwerth einer gewöhnlichen, einfachen Amoebe entwickelten. Die darauf aus der Furchung hervorgegangene Morula wiederholt offenbar jenen phylogenetischen Entwickelungszustand, von dem uns heute nur noch die Synamoeben ein anschauliches Bild geben.

Was ferners die ungleiche Dotterfurchung betrifft, so scheint dieselbe als ein Erbtheil von den Würmern aufgefasst werden zu müssen, bei denen dieselbe nach den Untersuchun

1) Allerdings ist das Verschwinden des Keimbläschens erst in jüngster Zeit wieder von Professor FREY angezweifelt und als ein „,in unbehaglicher Weise das theoretische Verständniss erschwerender Vorgang" bezeichnet worden. Es wird jedoch schon aus dem oben Gesagten eingeleuchtet haben, dass dieser Vorwurf durchaus nicht gerechtfertigt erscheint (FREY, Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen. IV. Aufl. 1874. S. 92 u. 93).

gen von KOWALEVSKY und Anderen eine ausgedehnte Verbreitung besitzt. Eine Zurückführung auf eine bestimmte Würmergruppe ist jedoch beim gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse nicht möglich.

Ueber die Bedeutung der während der Furchung ausgetriebenen,,Richtungsbläschen" standen sich zur Zeit, als Leydig die Entwickelung von Paludina vivipara untersuchte, zwei Ansichten gegenüber. FR. MÜLLER') meinte, dass die „,Richtungsbläschen“ auf die Furchung selbst einen wichtigen Einfluss übten und die Richtung der Furchen des Dotters und somit auch der Furchungskugeln bestimmten. RATHKE 2) dagegen sprach ihnen jeden Einfluss auf den Furchungsprocess ab und meinte, dass sie nach abgelaufener Furchung gar keine Bedeutung mehr besässen, sondern im umgebenden Eiweiss wieder verschwänden. Mit dieser Ansicht RATHKE'S stimmen wir vollkommen überein, glauben aber dennoch den,,Richtungsbläschen" nicht alle und jede physiologische Bedeutung absprechen zu dürfen; das eigenthümliche Verhältniss, in dem dieselben zu den kleinen Furchungskugeln stehen (Taf. VII Fig. 8), macht es nicht unwahrscheinlich, dass sie mit diesen in Zusammenhang gebracht werden müssen. Da nun nach meinen Erfahrungen jedesmal, wenn das Ei längere Zeit vor der Beobachtung in Ruhe gelassen wurde, die vier kleinen Furchungskugeln nach oben gelegen waren (Taf. VII Fig. 7), und da demnach der betreffende Eipol specifisch leichter zu sein scheint, als der entgegengesetzte, so wird wohl die Annahme nicht ungerechtfertigt erscheinen können, dass die ,,Richtungsbläschen", indem sie sich zwischen Ei und Eiweissmembran einschieben, das Ei selbst vor Druck zu schützen haben. Demnach hätte man also die,,Richtungsbläschen" als durch Anpassung an die ungleiche Dotterfurchung) erworbene Schutzorgane des Embryo aufzufassen. Ihre Nothwendigkeit fällt natürlich mit dem Augenblicke weg, als der Embryo zu rotiren begiant. -Hoffentlich werden neue Beobachtungen ein sichereres Resultat über diesen Gegenstand geben können.

Die aus der Morula sich entwickelnde Blastosphaera wiederholt allem Anscheine nach jenen phylogenetischen Entwicke

1) S. WIEGMANN's Archiv 1848. 1. Heft. 2) S. WIEGMANN'S Archiv 1848. 2. Heft.

3) Bekanntlich kommen auch bei Lumbricus neben ungleicher Dotterfurchung,,Richtungsbläschen" vor. S. KOWALEVSKY, Embryologische Studien.

lungszustand, welcher im System noch heute durch die Magosphaeren vertreten wird.

Die wichtigste Embryonal-Form des Thierreichs ist jedoch die aus der Blastosphaera sich entwickelnde Gastrula; sie repräsentirt, wie RAY-LANKESTER') mit Recht sagt, die Coelenteraten-Phase der Entwickelung des ganzen Thierreiches". Die ausserordentliche Bedeutung, welche sie besitzt, stützt sich nach HAECKEL ,,erstens darauf, dass dieselbe bei Thieren der verschiedensten Klassen, von den Spongien bis zu den Wirbelthieren, in derselben charakteristischen Form und Zusammensetzung wiederkehrt und zweitens darauf, dass die morphologische und physiologische Beschaffenheit der Gastrula-Form an sich auf den monophyletischen Stammbaum des Thierreichs das hellste Licht wirft". Von der Verbreitung der Gastrula im Stamme der Mollusken war schon früher die Rede; in Beziehung auf die ausserordentliche phylogenetische Bedeutung derselben verweisen wir namentlich auf HAECKEL'S „Gastraea-Theorie" 2).

Wenn wir nun erwägen, welche Veränderungen der Embryo in Beziehung auf seine morphologische Individualität bisher zu durchlaufen hatte, so finden wir, dass er im Beginne seiner Entwickelung als Ei gerade so, wie jeder andere thierische oder pflanzliche Organismus, ein Form - Individuum erster Ordnung, gleich einer Plastide, vorstellte. Indem aus der Eifurchung ein Zellenhaufen hervorging, erreichte der Embryo die Stufe eines morphologischen Individuums zweiter Ordnung, eines Organes. Erst mit der Gastrula erlangte er den Werth eines Form-Individuums dritter Ordnung, einer Person; von nun an ändert er seine morphologische Individualität nicht mehr, obwohl seine äussere Form noch mannigfachen Umgestaltungen und Veränderungen unterliegt. Daraus geht von selbst die hohe Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen den Veränderungen der äusseren Form und denjenigen der morphologischen Individualität des Embryo hervor. Wir sehen nämlich, wie sich die äussere Form innerhalb der Grenzen einer bestimmten Stufe der morphologischen Individualität sehr bedeutend ändern, ja sogar einen ganz anderen Charakter annehmen kann. Wir können

1) RAY-LANKESTER,,,Contributions to the Developement history of the Molluska". The Annals and Magazine of natural history, July 1874. Aus der Royal Society.

2) Vergleiche ausserdem Anm. 1 und ausserdem: RAY-LANKESTER, „On the primitive cell-layers of the embryo" etc.

ganz genau verfolgen, wie sich aus der ursprünglich einaxigen Gastrula-Form allmählich und stufenweise der bilaterale Typus der Gastropoden entwickelt; wir sehen, wie sich anfangs nur diejenige Seite des Thieres, in welcher bald darauf die secundäre Mundöffnung erscheint, verändert und wie erst später die andere Seite mit dem After nachfolgt. Dieser höchst interessante und merkwürdige Process, welcher während der individuellen Entwickelung mit grosser Schnelligkeit verläuft, mag wohl während der Entwickelung des Stammes der Gastropoden viele Jahrtausende in Anspruch genommen haben.

Zunächst sehen wir aus der Gastrula einen langgestreckten, mit zwei deutlichen queren Einschnürungen versehenen Embryo hervorgehen, welcher uns sofort an einen dreigliederigen WürmerEmbryo oder an einen jungen Brachiopoden - Embryo ') erinnert. Man könnte sich leicht versucht fühlen, diese interessante und jedenfalls phylogenetisch bedeutsame Embryonal Form auf eine wirkliche Stammverwandtschaft der Gastropoden mit den Brachiopoden und Würmern zurückzuführen. Wenn aber auch eine solche Stammverwandtschaft ganz unzweifelhaft existirt, so können wir uns für jetzt doch noch nicht entschliessen, jene Embryonal-Form mit Bestimmtheit auf einen solchen phylogenetischen Vorgang zu beziehen. Davon hält uns namentlich der Umstand ab, dass die einzelnen Abschnitte des Embryo, welche möglicherweise als Segmente aufzufassen sind, nicht ganz dieselbe Beschaffenheit besitzen, sondern das Hinterende desselben, das dritte Segment, von den beiden anderen Abschnitten, den zwei ersten Segmenten, wesentlich verschieden ist. Um jedoch in dieser schwierigen Frage eine endgültige Entscheidung fällen zu können, wird es nothwendig sein, nicht blos die Entwickelung der Schnecken. noch weiter zu verfolgen, sondern ganz besonders die bisher viel zu sehr vernachlässigte Ontogenese der Muscheln einer aufmerksamen Beobachtung zu unterziehen.

Was ferner die Bedeutung des bei den Süsswasser-Pulmonaten rudimentären Velum betrifft, so ist dasselbe, wie GEGENBAUR 2) gezeigt hat, vom primären Wimperkranze der Würmer abzuleiten, und nur als eine Weiterentwickelung der dort einfacheren Verhältnisse" aufzufassen. Für die genannte Gruppe der

1) KOWALEVSKY, Die Entwickelung der Brachiopoden, 1874. russisch. 2) GEGENBAUR, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. II. Aufl. 1870.

S. 478.

Gastropoden hat das Velum noch insoferne ein besonderes Interesse, als ihre Entwickelung selbst nach dem Zeugnisse eines Gegners der Descendenztheorie1) auch im Uebrigen die grösste Aehnlichkeit mit der Entwickelung der Prosobranchiaten besitzt.

Einige Zeit nach der Bildung der secundären Mundöffnung und des Afters erlangt der Embryo, wie wir gesehen haben, eine vollkommen,,streng bilateral-symmetrische" Gestalt, genau so, wie sie die homopleuren Zeugiten besitzen, zu denen bekanntlich weitaus die Mehrzahl der Wirbelthiere, Würmer, Mollusken u. s. w. gehört. Wie bei diesen ist auch beim Gastropoden-Embryo zu dieser Zeit eine Axe (die Lateralaxe) gleichpolig, während die beiden anderen (die Hauptaxe und Dorsoventralaxe) ungleichpolig sind. Aus dieser homopleuren Embryonal-Form geht durch Verschiebung des hinteren Poles der Hauptaxe die heteropleure und speciell die dysdipleure Grundform hervor, welche die Gastropoden während ihres ganzen Lebens beibehalten.

Diese merkwürdigen Veränderungen lassen sich in ihrer causalen Bedeutung nur durch Zurückführung auf phylogenetische Vorgänge verstehen. Vor allem möchten wir in Beziehung auf die homopleure Grundform des Embryo an ein ganz ähnliches Entwickelungsstadium erinnern, welches in der Ontogenese der Lamellibranchiaten sehr weit verbreitet zu sein scheint. Einen besonderen Werth legen wir in dieser Hinsicht den Worten LEYDIG'S 2) bei, welcher über die Entwickelungsgeschichte von Cyclas cornea sagt:,,In der Entwickelungsweise der Körpergestalt und der Anlage der Organe folgt augenscheinlich unsere Cyclas dem bekannten Schema der Mollusken, insbesondere dem der Gastropoden." Hoffentlich werden neue Beobachtungen der Ontogenese der Muscheln darüber noch manche erfreuliche Resultate zu Tage fördern.

Alle weiteren Veränderungen der äusseren Körperform des Embryo, namentlich die Bildung des Mantels und der Schale3), laufen auf eine immer vollständigere Ausbildung des GastropodenTypus hinaus.

1) BRONN, Classen und Ordnungen der Weichthiere. III. Band, II. Abtheilung Kopftragende Weichthiere.

2) LEYDIG, Ueber Cyclas cornea. MÜLLER'S Archiv 1855. S. 65.

3) Schon DUMORTIER machte auf die allmähligen Gestaltveränderungen der Schale aufmerksam und bemerkte, dass die Schale von Limnaeus der Reihe nach die Schalenformen von Ancylus, Planorbis u. s. w. wiederhole.

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