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Ueber das Vorkommen des Aethylalkohols resp.

seiner Aether im Pflanzenreiche.

Von

Dr. H. Gutzeit.

I

Der Aethylalkohol, dieser Hauptrepräsentant jener grossen Klasse von organischen Verbindungen, die nach ihm ihren Namen führt, der zur Zeit als die maxivalente Verbindung des zweifachen Kohlenstoffs mit Wasserstoff aufgefasst wird, in welcher ein H durch die monovalente Gruppe OH ersetzt ist'), kann bekanntlich, wie BERTHELOT, HOFMANN, WURTZ, LOURENÇO und andere Forscher gezeigt haben, künstlich auf die mannigfachste Weise dargestellt werden und findet sich, wie schon die Alten wussten, neben andern Produkten überall da, wo Zucker haltende oder Zucker gebende Substanzen unter geeigneten Bedingungen der geistigen Gährung überlassen sind.

In manchen dieser Gährungsprodukte kommt er nicht allein im freien Zustande, sondern auch in Form von Aethern vor. Im fertigen Wein z. B. als Aethyl-Acetat, Aethyl-Butyrat, Aethyl-Caprinat und Aethyl-Caprylat.

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Ausser in gegohrenen organischen Flüssigkeiten ist er bis jetzt nur im Thierreiche aufgefunden worden. LALLEMAND, PERRIN und DUROY zeigten bekanntlich das Vorkommen desselben im Harn, im Blut und allen Organen nach dem Genuss von Spirituosen; LIEben fand, dass nach dem Genuss selbst sehr mässiger Mengen geistiger Getränke, stets Alkohol im Harn nachzuweisen ist") und GEUTHER lehrte das Vorkommen desselben im frischen Harn von Diabetikern kennen 3).

Im Pflanzenreiche dagegen sind bis dahin sichere Beobachtungen über ein anderes Vorkommen des Aethylalkohols oder seiner Aether nicht gemacht worden.

1) A. GEUTHER, Lehrbuch der Chemie. S. 173.

2) Annalen d. Chem. und Pharm. 7. Supplementbd. S. 236.
3) Jenaische Zeitschrift f. Med. u. Naturw. II, 4. S. 407.

DOEBEREINER glaubte allerdings unter den Produkten der trocknen Destillation des Holzes, besonders des Birkenholzes, eine kleine Quantität (Aethyl-) Alkohol gefunden zu haben. PHILIPPS TAYLOR, der Entdecker des Holzgeistes, zeigte jedoch, dass dieser flüchtige Stoff dem Alkohol zwar ähnlich ist, dass er sich aber in gewissen Beziehungen wesentlich davon unterscheidet '). Er lässt sich mit Wasser in allen Verhältnissen mischen, brennt mit blauer Flamme wie Alkohol, löst Harze, giebt aber mit concentrirter Schwefelsäure keinen Aether (keinen flüssig bleibenden) 2). TAYLOR entdeckte diesen Stoff bereits 1812, veröffentlichte aber seine Beobachtungen über den ,,Aether pyrolignicus" erst im Jahr 1822 und zwar gelegentlich in einem Briefe an die Redaction des Philosophical Journal).

Abkömmlinge von diesem Produkte der trocknen Destillation des Holzes, dem Methylalkohol, sind in der Folge vielfach im Pflanzenreiche aufgefunden worden: In Mercurialis annua das ,,Methylamin". Im Mutterkorn, in den Blüten von Crataegus oxyacantha, Sorbus aucuparia, Pyrus communis, in den Blättern von Chenopodium Vulvaria, im Safte der Runkelrübenblätter, im Brande des Weizens und der Gerste, in faulender Hefe und faulendem Waizenmehl das ,,Trimethylamin". Im Caffee, im Thee, in den Cola-Nüssen und in der aus den Früchten von Paullinia sorbilis bereiteten pasta Guarana das „,Methyl- Theobromin" = Caffein oder Theïn. Im eingetrockneten Milchsafte der grünen Samenkapseln des Mohns das „Methyl-Morphin" Codeïn und das,,Trimethylnornarkotin" gewöhnliches Narkotin). In den Blüten, überhaupt in allen Theilen von Gaultheria procumbens, sowie im Kraute und in den Blüten von Monotropa hypopitys und vielleicht auch fertig gebildet in der Rinde von Betula lenta ein Aether des Methylalkohols das ,,Wasserstoff-Methylsalicylat".

Nicht allein aber von diesem, sondern auch von andern nahen Verwandten des Aethylalkohols sind Aether im Pflanzenreiche entdeckt worden: In den Früchten von Heracleum Spondylium L., ,,Octyl-Acetat und Octyl-Capronat" "); in den Früchten von Hera

1) TILLOCH'S Philos. Mag. November 1822. S. 315. 2) BERZELIUS, Jahresberichte III. 1824. S. 187.

3) DUMAS und PELIGOT, Ueber einen neuen Alkohol, den Holzgeist und seine Verbindungen. Journal f. pract. Chemie 1834. Bd. 3. S. 162 und S. 369—393. 4) MATTHIESSEN u. FOSTER, Annal. d. Chem. u. Pharm. 1867. V. Supplbd.

S. 336.

5) THEODOR ZINCKE, Untersuchung des ätherischen Oels in den Früchten von Heracleum Spondylium L. Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 151. S. 1.

cleum giganteum, „Octyl-Acetat und Hexyl-Butyrat" 1) und in den Früchten von Pastinaca sativa L.,,,Octyl-Butyrat" 2). Um so auffallender erscheint es, dass der Aethylalkohol als solcher, oder Aether desselben, bis jetzt im Pflanzenreiche nicht nachgewiesen sind, zumal da sein Oxydationsprodukt, die ihm eigenthümliche Säure - die Essigsäure bekanntlich im Pflanzenreiche ungemein häufig aufgefunden worden ist. VAUQUELIN fand Essigsäure, Kalium- und Calcium-Acetat im Safte vieler Pflanzen, namentlich der Bäume. HAUTZ und WUNDER entdeckten sie in vielen aromatischen Wässern, so in den über Kamillenblüten, Majoran, Cardamomen, Fenchel und Wurmsamen abdestillirten Wässern und ZINCKE desgleichen in dem wässerigen Destillate von Heracleum Spondylium L.). Im Oele von Evonymus europaeus findet sie sich als Triacetin und gleichfalls als Glycerinäther im Crotonöl; denn wie GEUTHER'S und FROEHLICH'S Untersuchungen gezeigt haben, ist die Crotonsäure SCHLIPPE'S nur ein Gemenge von Essigsäure, Buttersäure und Baldriansäure*).

Das Vorkommen von Aethylverbindungen in unveränderten Pflanzensäften war mithin seit den genannten Entdeckungen höchst wahrscheinlich und ist nunmehr durch die folgenden Untersuchungen zur Gewissheit geworden.

I. Untersuchung der Früchte und Doldenstiele von Heracleum giganteum hort.

Als Untersuchungsobjekt wurden zunächst die Früchte von Heracleum giganteum gewählt, da mir diese im hiesigen botanischen Garten, sowie in Privaten angehörigen Gärten, in ziemlicher Menge zur Verfügung standen.

Zweck dieser Arbeit war eines Theils, aus dem flüchtigen Oele dieser Früchte, in welchem FRANCHIMONT und ZINCKE, wie bereits oben bemerkt ist, Octyl-Acetat und Hexyl- Butyrat nachgewiesen haben, für, die Sammlung des chemischen Instituts die betreffenden Alkohole darzustellen; anderen Theils, event. die von den

1) A. FRANCHIMONT u. TH. ZINCKE, Ueber Hexylalkohol aus Heracleumöl. Berichte d. d. chem. Gesellsch. zu Berlin. Bd. 4 S. 822 u. Bd. 5 S. 19.

2) J. J. VAN RENESSE, Ueber die Zusammensetzung des flüchtigen Oels aus den Früchten von Pastinaca sativa L. Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 166. S. 80.

3) Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 152. S. 21.

4) Jenaische Zeitschrift f. Medicin u. Naturwiss. 1870. Bd. 6. S. 45.

genannten Chemikern nicht berücksichtigten, niedrigst siedenden Antheile dieses Oels einer näheren Untersuchung zu unterwerfen, wenn nämlich die Menge derselben eine solche gestatten würde.

A. Nicht völlig reife Früchte vom Sommer 1873.

64 Kilo fast ausgewachsener, also noch nicht völlig reifer Früchte, wurden in einer, mit Zweck entsprechendem Kühlapparate verbundenen kupfernen Blase mit 18 Kilo Wasser übergossen der Destillation unterworfen und diese unter fortwährender guter Abkühlung des Destillats so lange fortgesetzt, als sich noch Oeltropfen zeigten. Das so erhaltene circa 12 Kilo wiegende Destillat röthete das blaue Lacmuspapier nur äusserst schwach; dagegen reagirte der Inhalt der Blase stark sauer, eine Eigenschaft, welche auch die Früchte zeigten, weshalb derselbe ebenfalls in den Kreis der Untersuchungen gezogen wurde.

1. Das Destillat.

Mittelst eines Hebers wurde der wässerige Theil desselben von dem aufschwimmenden Oele getrennt und darauf durch wiederholte fractionirte Destillation aus dem ersteren, das darin noch gelöste resp. suspendirte Oel gewonnen, indem nach jeder Destillation das ausgeschiedene Oel sorgfältig gesammelt wurde.

Bei diesen Destillationen wurde plötzlich, als die zu destillirende Flüssigkeit kaum noch 200,0 Grmm. betrug, die Entdeckung gemacht, dass die zuletzt destillirten Antheile specifisch schwerer waren, als die zuerst übergegangenen Antheile des Destillats; denn jeder in die Vorlage gelangende Tropfen durchdrang die in derselben bereits vorhandene Flüssigkeit und lagerte sich auf dem Boden an, theilweise allerdings, auf dem Wege dorthin, sich lösend oder mischend; beim vorsichtigen Schütteln der Vorlage sah man ebenso deutlich, dass die Flüssigkeit keine homogene war.

Gleichzeitig wurde im Kühlrohre und namentlich bei plötzlicher Abkühlung des vom Kühlwasser nicht umgebenen Theiles dieses Rohres ein eigenthümliches Fliessen beobachtet, wie es bei der Destillation spirituöser Flüssigkeiten der Fall ist.

In Folge dieser Beobachtung wurde die Operation fortgesetzt, nicht so sehr der Spuren Oel wegen, die noch in dem Destillate gelöst sein konnten, als um die Ursache des eben Mitgetheilten zu erforschen.

Das Thermometer lehrte bald, dass eine unter 100° C. siedende Flüssigkeit vorhanden sei. Nachdem durch fortgesetzte, schliesslich aus dem Wasserbade vorgenommene fractionirte Destillation, die flüchtigen Theile ziemlich isolirt waren und die so erhaltene Flüssigkeit etwa noch 12-15 Grmm. betragen mochte, wurde mittelst eines hineingetauchten und dann der Flamme genäherten Glasstabes konstatirt, dass dieselbe eine leicht entzündliche war und dass sie mit blassbläulicher Flamme brannte. Nun wurde Calciumchlorid zugefügt, um so vielleicht eine Abscheidung zu bewirken, allein vergeblich; denn nach dem es zerflossen war, mischten die erst entstandenen zwei Schichten sich völlig homogen. Auf Zusatz weniger Tropfen Wasser jedoch, entstand eine Trübung und wurde daher der Flüssigkeit etwa ihr halbes Volum Wasser zugefügt und darauf dieselbe 24 Stunden der Ruhe überlassen. In der That hatte sich eine geringe Oelschicht abgesondert. Diese wurde sorgfältig entfernt und die nunmehr klare Flüssigkeit der Rectifikation unterworfen. Gleich nach der ersten Destillation, wurde eine schwachalkalische Reaction des Destillats bemerkt und deshalb dieses mit einigen Tropfen verdünnter Schwefelsäure versetzt und abermals destillirt. Das so erhaltene Destillat wurde in einem mit Rückflusskühler und Thermometer verbundenen Kölbchen unter sorgfältiger Kühlung mit Aetzkalkstückchen behandelt und dann im Wasserbade so lange erwärmt, bis aller Kalk zerfallen war. Mit der darauf durch Destillation getrennten, noch 6,0 Grmm. wiegenden Flüssigkeit wurde dieselbe Operation wiederholt und dabei noch ein Verlust von 0,5 Grmm. wahrgenommen. Alsdann wnrde zum dritten Male mit Aetzkalk behandelt; doch obgleich derselbe 12 Stunden hindurch mit der im Wasserbade erhitzten Flüssigkeit in Berührung blieb, veränderte er sich nicht mehr. Die Flüssigkeit war also vollkommen entwässert und wog nach beendeter Destillation, während welcher das Thermometer 72-77° C. anzeigte 5,2 Grmm. Das Gewicht dieser flüchtigen Substanz betrug also etwa 0,1% der angewandten Früchte; doch war zu vermuthen, dass sich in Wahrheit ein höherer Procentsatz ergeben würde, weil nicht von Anfang an mit dem Bewusstsein gearbeitet wurde, dass hier eine so niedrig siedende Substanz zu berücksichtigen sei und in der That ist diese Vermuthung durch neuere, in diesem Semester ausgeführte Untersuchungen, deren Resultate weiter unten mitgetheilt sind, vollkommen bestätigt worden.

Bd. IX, N F. II.

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