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1875, Grine 10.
Knot Find.

Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Muskulatur des Kopfskelets der Cyclostomen.

Von

Dr. Paul Fürbringer,

Assistent am pathologisch-anatomischen Institut zu Jena.

(Hierzu Taf. I—III.)

Vorwort.

Diese Arbeit ist folgender Maassen entstanden:

Im Sommer vorigen Jahres brachte Herr Hofrath Professor W. MÜLLER, Director des hiesigen pathologisch - anatomischen Instituts von einer Reise nach Schweden einige Exemplare von Myxine glutinosa mit, die er im Momente einer eigenthümlichen in den Verlauf der Kaufunction fallenden Zungenstellung in Weingeist. getödtet. Der Anblick der aus der Mundhöhle hervorgetretenen, mit Zähnen bewaffneten Zungenlappen erinnerte sofort an einige Zeilen von GUNERUS, die JOH. MÜLLER in seiner vergleichenden Anatomie der Myxinoiden ') citirt, deren Richtigkeit er aber nicht anerkennt, weil er nicht vermocht, durch Experimente an todten. Exemplaren von Bdellostoma heterotrema, das er in der Bildung der Zunge und ihrer Adnexa mit Myxine vollkommen identificirte, eine gleiche Stellung der Zunge zu Stande zu bringen.

Prof. MÜLLER veranlasste mich damals, durch genaue Untersuchung der die Locomotion der Zunge bedingenden Skelettheile und Muskeln den scheinbaren Widerspruch der beiden Beobachter zu lösen. Die Präparation der Muskeln verlangte eine nähere Lectüre der Arbeit JOH. MÜLLER'S, insbesondere des Vergleichs der Kaufunction der Myxinoiden mit jener der Petromyzonten. Dies führte zur Untersuchung der der Kaufunction vorstehenden Mus

1) Theil I S. 188 Anm. 1. S. ausserdem § 2 dieser Arbeit Anm. 17.

Bd. IX, N. F. II.

1

keln der Petromyzonten, im Verlauf welcher sich manche interessante Anknüpfungspunkte zwischen beiden Repräsentanten der Cyclostomen ergaben und gern folgte ich den Wünschen vom Prof. MÜLLER, die Untersuchungen auf eine vergleichende Studie der Muskulatur des Kopfskelets der Cyclostomen auszudehnen.

Eine in dieser Zeit von meinem Bruder, Dr. MAX FÜRbringer, Prosector in Heidelberg veröffentlichte Arbeit, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskulatur enthaltend, gab zugleich die Richtschnur der Art des Vergleichs der Muskeln, welcher unter Beseitigung der functionellen Bedeutung der Muskeln als Vergleichungspunkt, auf den Beziehungen der Muskeln zu den Skelettheilen, zu den anliegenden Weichtheilen und auf der Innervation durch bestimmte Nerven wurzelt.

Die Beibehaltung der functionellen Beziehungen der Muskeln, die selbstverständlich nirgends als Vergleichungspunkt benutzt wurden, hat vielleicht der Einheitlichkeit der Arbeit einiger Maassen Eintrag gethan, ein Resultat, welches nicht zu vermeiden war, hätte man nicht auf den ursprünglichen Zweck der Arbeit Verzicht leisten wollen.

Object der Untersuchungen waren nur die von der Trigeminusgruppe und den Augenmuskelnerven (deren Zugehörigkeit zum Trigeminus noch nicht erwiesen 2) innervirten Muskeln.

Die Arbeit zerfällt in einen descriptiven und einen vergleichenden Theil. Ersterer betrachtet in 5 Paragraphen Skelet, Muskeln und Nerven von Myxine glutinosa, Petromyzon marinus, fluviatilis und Planeri3), letzterer giebt in 2 Paragraphen den speziellen Vergleich der in Frage stehenden Muskeln innerhalb der Cyclostomen-Abtheilung, so wie einige allgemeinere Beziehungen zu den Muskeln und Nerven der Fische, in Sonderheit der Selachier. Herr Hofrath Professor W. MÜLLER hat mir zu meinen Untersuchungen zahlreiche Exemplare vorzüglich conservirter Myxinen und Neunaugen gütigst zur Verfügung gestellt, mir fast sämmtliche literarischen Hülfsmittel gewährt und mich in meinen Untersuchungen selbst vielfach mit seinem Rath unterstützt. Die Untersuchung von Petromyzon marinus hat Herr Hofrath Professor Gegenbaur durch freundliche Ueberlassung von 2 Exemplaren ermöglicht. Ich erachte es als eine angenehme Pflicht, beiden Herren meinen ergebensten Dank auszusprechen.

2) Nach GEGENBAUR umfassen die Augenmuskelnerven die motorischen Wurzeln der beiden vordern Aeste des Trigeminus. S. § 5 Anm. 4.

3) Ammocoetes Planeri ist nur im vergleichenden Theile berücksichtigt.

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Von der reichen Literatur der Cyclostomen habe ich nur mit folgenden Monographien mich eingehender vertraut gemacht und sie mit in den Bereich meiner Betrachtungen gezogen:

RATHKE): 1) Bemerkungen über den innern Bau der Pricke (Danzig 1825). 2) Bemerkungen über den innern Bau des Querders und kleinen Neunauges (Halle 1827).

BORN): Ueber den innern Bau der Lamprete (HEUSINGER'Sche Zeitschrift, Eisenach 1827).

MAYER): Ueber den Bau von Petromyzon marinus (Analecten für vergleichende Anatomie, Bonn 1835).

JOH. MÜLLER): Vergleichende Anatomie der Myxinoiden (Berlin 1835 u. 1840).

SCHLEMM und D'ALTON): Nervensystem von Petromyzon marinus (MÜLLER'S Archiv, Berlin 1838),

4) RATHKE giebt in seiner ersten Arbeit eine sehr wenig ausführliche und namentlich in Bezug auf Ursprung und Insertion sehr ungenaue Beschreibung. Etwas sorgfältiger ist das Skelet behandelt, während das peripherische Nervensystem äusserst kurz gefasst ist und sich auf eine ganz dürftige, zum Theil falsche Darstellung der stärksten Aeste beschränkt. Die Augenmuskelne rven und eine Menge äusserst wichtiger, relativ kräftiger Trigeminuszweige hat er ganz übersehen. Ungleich genauer und ausführlicher erscheint seine zweite

Arbeit.

5) Enthält zahlreiche Berichtigungen der Irrthümer RATHKE'S. Die Beschreibung des peripherischen Nervensystems, zwar ungleich ausführlicher als die RATHKE's, birgt doch noch immer viele Ungenauigkeiten und falsche Beobachtungen.

6) Diese Arbeit bringt in einer sehr dürftigen und fehlerhaften Darstellung von Skelet und Muskulatur mehrfache Irrthümer RATHKE's wieder zum Vorschein, nachdem sie bereits im Jahre 1827 von BORN berichtigt worden waren. Die Deutung der Skeletabschnitte und Muskeln ist zum Theil höchst abenteuerlich.

7) JOH. MÜLLER hat in dieser voluminösen Arbeit u. A. Skelet, Muskulatur und Nerven von Bdellostoma heterotrema bis auf die kleinsten Gebilde ausführlich und sorgfältig beschrieben; der Schluss auf einen ganz gleichen Bau“ der Myxine ist gerade in Hinsicht auf Skelet und Muskeln nicht allenthalben richtig. Auch in der Darstellung der ,,Zungenmuskulatur" von Petromyzon marinus finden sich einige allerdings nur das Detail betreffende Differenzen. Die Deutung des Skelets der Cyclostomen bildet zu einem grossen Theile die Grundlage meiner Arbeit.

8) SCHLEMM und D'ALTON geben die ausführlichste, wenn auch noch lange nicht erschöpfende und fehlerfreie Darstellung der Nerven von Petromyzon marinus. Merkwürdiger Weise ist die Innervation gerade der grössten Muskelcomplexe übersehen worden. Auch in der Beurtheilung einzelner Augenmuskeln herrschen falsche Ansichten.

da die Ergebnisse der übrigen Arbeiten 9), so weit sie die Muskulatur des Kopfskelets betreffen, in den erwähnten Monographien theils aufgenommen theils berichtigt sind.

Ausserdem wurden für den vergleichenden Theil besonders die Lehrbücher von STANNIUS und GEGENBAUR zu Rathe gezogen, sowie VETTER's Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Kiefer- und Kiemenmuskulatur der Fische (Jena 1874) und LANGERHANS' Untersuchungen über Petrom. Planeri (Freiburg 1873) berücksichtigt.

A. Descriptiver Theil.

$ 1.

Kopfskelet') vom Myxine und Petromyzon.
(Fig. 1. 2. 3. 16. 17.)

Bei Myxine wie Petromyzon 2) besteht eine continuirliche Verbindung des Craniums mit dem Visceralskelet 3), ein Verhalten, das sich, wenigstens für das Palatoquadratum, bei Lepidosiren und Chimaera wieder findet.

1. Cranium.

Bei Beiden besteht das Cranium aus einem vorn an die Nasenkapsel grenzenden, hinten unmittelbar in das Rückenmarksrohr übergehenden Schädeldach und einem dem hintern Abschnitt des

9) GUNERUS (1765) deutet die Zungenlappen der Myxine als Kiefer und den grossen Muskelkörper der Zunge als Luftröhre. RETZIUS (1790) weist zuerst auf die Aehnlichkeit der „Kiefer" von Myxine und Petromyzon hin. ABILDGAARD (1792) erkannte zuerst die Luftröhre des Gunerus richtig als Muskeln, welche die „Kiefer" bewegten, ebenso BLOCH. HOME (1815) deutet die 2 Zahnreihen richtig als der Zunge, nicht den Kiefern angehörig. RETZIUS (1826) giebt die erste ausführlichere Beschreibung des Nervensystems der Myxine.

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1) Dieser Paragraph, der mehr der Orientirung in der Nomenklatur dienen soll, leistet auf jede ausführliche Darstellung der Skelettheile Verzicht, welche von JOH. MÜLLER bereits auf das Genauste beschrieben sind.

2) Die Bezeichnung Petromyzon gilt, wo nicht das Gegentheil angegeben, für Petrom. marin., fluv. und Plan. zusammen.

3) Nur von Kiefer- und Zungenbeinbogen verstanden.

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