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(I. Band, Seite 406: Grundsätze der Philosophie; Nothwendig-

keit einer Veränderung). Das andere sind „Kritische Be-

merkungen zu den Grundsätzen der Philosophie" aus den

Jahren 1848 und 1849, welche die Herausgeber aus dem bis-

her ungedruckten Theile des Nachlasses aufgenommen haben.

Sie bildeten ursprünglich einen Bestandtheil der von Feuer-

bach im Jahre 1848 zu Heidelberg gehaltenen Vorlesungen

über Religionsphilosophie, wurden aber von ihm selbst für

den Druck ausgeschaltet. Im Zusammenhang dieser religions-

philosophischen Erörterungen würden sie in der That unge-

hörig und zu weit abführend gewesen sein. In Feuerbachs

Reformgedanken zur Philosophie aber bilden sie ein wichtiges

und werthvolles Glied. Sie wurden zu einer Zeit geschrieben,

als diese Gedanken bereits völlig ausgereift und mit den

früheren speculativen Ideen ausgeglichen waren und sie ent-

halten in vielen Punkten den schärfsten und deutlichsten

Ausdruck für die von Feuerbach gewonnene neue Position.

Entfallen ist aus dem früheren zweiten Bande die Abhandlung

„Ueber Philosophie und Christenthum", welche sich nunmehr im

siebenten Bande der gegenwärtigen Ausgabe befindet (S. 104)

unter dem Titel „Zur Charakterisirung der Schrift: Ueber

Philosophie und Christenthum". Das Vorwort des Heraus-

gebers enthält (S. VI) alles Nothwendige über Veranlassung

und Schicksale der Schrift. Speciellere Angaben über die

einzelnen Schriften und die in diesem Bande erwähnten Per-

sönlichkeiten wurden den betreffenden Stücken als Fussnoten

beigegeben.

Die in diesem Bande vereinigten Schriften sind für das
Verständniss der inneren Entwicklung Feuerbachs ungemein
bedeutungsvoll. Sie enthüllen vor den Augen des Lesers den
Werdeprocess, der Feuerbach aus einem überzeugten Anhänger
und Vorkämpfer Hegels im Laufe eines knappen Decenniums
(1835-1845) zum ersten und schärfsten Kritiker des Systems
gemacht, ihn vom Panlogismus zum Naturalismus und Anthro-
pologismus geführt hat. Freilich ist es nur ein Ausschnitt
aus der intensiven, ungemein fruchtbaren Arbeit dieser Jahre
es sind Feuerbachs eigentliche Schöpferjahre
was in
diesem Bande zusammengefasst ist. Er enthält das Bild der
Befreiung Feuerbachs aus den Banden der speculativen Philo-
sophie und ihrer Dialektik auf dem Gebiete der Principien-
und Methodenlehre. Mit dieser Herausarbeitung der Grund-
züge einer neuen Weltanschauung ging die Emancipation
Feuerbachs von Hegel auf dem Specialgebiete der Religions-
philosophie oder vielmehr der speculativen Theologie Hand in
Hand. Der Theologie hatte die erste Begeisterung des Jüng-
lings gehört; aus ihr heraus hatte er sich einst zu Hegel
geflüchtet; und die Enthüllung der Illusion, welche dessen
Religionsphilosophie beherrscht, ist eine treibende Kraft in
der Ausbildung seiner eigenen Religionsphilosophie, ja seiner
Weltansicht geworden. Der Keim zu dieser ist gelegt in dem
Moment, da Feuerbach zum ersten Mal den Satz aus-
spricht, dass das Geheimniss der Theologie die Anthropologie
sei (Vorrede zum Wesen des Christenthums vom Jahre 1841)
oder dass das göttliche Wesen nichts Anderes sei, als das
Wesen des Menschen, abgesondert von den Schranken des
individuellen Menschen, angeschaut und verehrt als ein an-
deres, von ihm unterschiedenes eigenes Wesen. (Wesen d.
Christenth. II. Kapitel; Bd. VI, S. 17.) Indem die „Vor-
läufigen Thesen zur Reform der Philosophie" vom Jahre 1842
(Bd. II, S. 222) jenen Satz an die Spitze stellen, und sogleich
hinzufügen: „das Geheimniss der speculativen Philosophie
aber ist die Theologie", sprechen sie in der unzweideutigsten
Weise den engen Zusammenhang der beiden Emancipations-
reihen, der speculativen und der theologischen, und die führende
Rolle der Befreiung von der speculativen Theologie Hegels
bei der Ausbildung von Feuerbachs eigener Philosophie aus.

Eben darum müssen zum Zwecke eines genetischen Ver-

ständnisses der Feuerbachschen Philosophie die beiden Ent-

wicklungsreihen, welche der siebente und der zweite Band

dieser Ausgabe vorführen, mit einander combinirt werden.

Die Schrift „Das Wesen des Christenthums" (VI. Bd.) bildet

für beide Reihen den inneren Culminationspunkt. Das Näm-

liche, was sich auf religionsphilosophischem Gebiete seit dem

Jahre 1839 vorbereitet, tritt in diesem Jahre mit der wuch-

tigen und tiefgreifenden „Kritik der Hegelschen Philosophie"

(II. Bd. S. 158) auch in Feuerbachs allgemeiner philosophischer

Haltung zu Tage: die Abwendung von den Principien und

Methoden der Hegelschen Philosophie. Zwischen dieser Kritik

und den „Vorläufigen Thesen" liegt das „Wesen des Christen-

thums".

Aber auch in den vor diesem entscheidenden Wende-
punkte liegenden Schriften wird der aufmerksame Leser mit
Interesse Schritt um Schritt das allmähliche Hervortreten
einer gewissen Unabhängigkeit von dem orthodoxen Hegel-
thum beobachten. Diese Unabhängigkeit documentirt sich
schon rein äusserlich durch den Ort, an welchem die ur-
sprüngliche Veröffentlichung der Recensionen und kritischen
Abhandlungen erfolgt. Die Abhandlungen über Hegels Ge-
schichte der Philosophie, über die historischen Arbeiten
von Kuhn, Erdmann, Hock, wurden ursprünglich in den
Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik (gewöhnlich
kurzweg „Berliner Jahrbücher" genannt) veröffentlicht, welche
im Jahre 1827 von Henning als eigentliches Organ der
Hegelschen Schule gegründet worden waren. Aber schon
angesichts dieser Beiträge versteht man wohl, dass Feuerbachs
Verhältniss zu diesem officiellen Vertreter des Hegelthums
nie ein besonders gutes war, dass er sich dort mit seiner Schriftstellerei sowohl äusserlich als innerlich zu beschränkt fühlte. Ist doch selbst der grösste Theil seiner Kritik des Anti-Hegel von der Redaction der Jahrbücher abgewiesen und das Ganze darum von Feuerbach als eigene Broschüre veröffentlicht worden: Kritik des Anti-Hegel. Zur Einleitung in das Studium der Philosophie. Ansbach 1835.

Für die selbständigere Haltung Feuerbachs gegen Hegel und die freiere Entwicklung seiner Ansichten wurde die Gründung der Halle'schen Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst durch Arnold Ruge und Th. Echtermeyer, welche im Jahre 1838 erfolgte, sehr wichtig. Feuerbach selbst drückt in einem Briefe an Kapp (25. Febr.) seinen Dank aus, dass Ruge ihn stimulirt und zur Aussprache von Gedanken veranlasst habe, die sonst nicht an den Tag gekommen wären. In den Halle'schen Jahrbüchern vollzog sich demgemäss die entscheidende Wendung von der oben gesprochen worden ist; dort erschienen nicht nur die Besprechungen der Schriften von Karl Bayer, die Abhandlung gegen Dorguths Kritik des Idealismus und die mit der grössten persönlichen Herzenswärme geschriebene Studie über „Christian Kapp und seine litterarischen Leistungen", sondern auch die „Kritik der Hegel'schen Philosophie, das Document der vollzogenen Lossagung von Hegel und die ersten Andeutungen über den gewonnenen eigenen Standpunkt: der Aufsatz „Ueber den Anfang der Philosophie". Diese Entwicklung Feuerbachs aber fällt mit der Krisis der Halle'schen Jahrbücher selbst zusammen, in denen eine ausgeprägt fortschrittliche Strömung mehr und mehr zum Durchbruch gelangt. Im Jahre 1841 waren sie von Halle nach Leipzig verlegt worden und hatten den Titel „Deutsche Jahrbücher" angenommen. Aber auch dort machten sich alsbald Censurschwierigkeiten geltend. Eine Menge von Beiträgen, die in Ruges Hand waren, mussten ungedruckt bleiben, darunter auch die „Vorläufigen Thesen zur Reform der Philosophie". Diese Schrift mit ihren lapidaren Absagen an die officiell anerkannte Philosophie ist zusammen mit Ruges begeisterter Besprechung des „Wesens des Christenthums" und einer Menge sonstiger Artikel, denen das gleiche Schicksal geworden, als gesondertes Buch von Ruge unter dem Titel „Anekdota" in der Schweiz veröffentlicht worden. Im Jahre 1843 wurden die „Jahrbücher" in Sachsen verboten und mussten das weitere Erscheinen einstellen. Die „Grundsätze der Philosophie der Zukunft" sind darum als selbständige Broschüre im Jahre 1843 veröffentlicht worden.

Auch sie sind in der Schweiz erschienen. Die ganze Bitterkeit, welche Feuerbach über diese Vorgänge erfüllt, kommt in dem Vorwort zu dieser Broschüre zum Ausdruck.

"

Grundsätze der Philosophie der Zukunft", heisst es dort, „nannte ich sie deswegen, weil die Gegenwart im Allgemeinen, als eine Zeit raffinirter Illusionen und vettelhafter Vorurtheile unfähig ist, die einfachen Wahrheiten, von denen diese Grundsätze abstrahirt sind, eben wegen dieser ihrer Einfachheit, zu capiren, geschweige zu würdigen". Und wenn es am Schlusse hiess: „Die Consequenzen dieser Grundsätze werden nicht ausbleiben", so darf man die wuchtige Abhandlung „Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist", welche Feuerbach einige Jahre später für den zweiten Band seiner Gesammtausgabe verfasste und als Erläuterungen zu den Grundsätzen der Philosophie bezeichnete, wohl als die erste und wichtigste dieser Consequenzen ansehen, zu denen sich im weiteren Verlaufe von Feuerbachs Entwicklung namentlich die Abhandlung über Spiritualismus und Materialismus gesellte. (S. d. X. Band dieser

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