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Ueber die Verzweigungen der Blutgefässe.

Eine morphologische Studie*)

von

Dr. W. Roux,

approb. Arzt aus Jena.

Hierzu Tafel VIII.

1. Methodik und Fehlerquellen.

§. 1. Im Laufe einer unternommenen Arbeit über die Entwickelung der Leber trat die Nöthigung an mich heran, um mit Verständniss weiter arbeiten zu können, zunächst eine allgemeinere Untersuchung über die Modi der Blutgefässverzweigungen und -Verbindungen anzustellen und zuzusehen, ob innerhalb der grossen Mannichfaltigkeit derselben nicht irgendwelche Regeln bestimmend sich aussprechen.

Im Folgenden werden die Resultate dieser Untersuchungen mitgetheilt werden, nachdem zuvor die technische Methode, mittelst deren sie gewonnen sind, und die Fehlerquellen einer kurzen, zur Beurtheilung der Zuverlässigkeit der Resultate nöthigen Darlegung gewürdigt worden sind. In einem dritten Abschnitt werden dann einige Erklärungsversuche über einen Theil der gefundenen Erscheinungen angestellt werden.

Da es sich darum handelte, die Gestalt des Lumens und die räumlichen Lagerungsbeziehungen verzweigter, hohler Gebilde lebenswahr dem Auge darzustellen, musste zur Corrosionsmethode gegriffen werden, und es war die Aufgabe, eine Injectionsmasse ausfindig zu machen, welche geeignet ist, dieser Forderung zu entsprechen.

Von den zunächst versuchten, bekannten Corrosionsmassen zeigte sich die sonst leicht zu handhabende Hoyer'sche Schellackmasse deshalb nicht geeignet, weil sie sehr spröde und bröckelig ist, so dass die mit ihrer Hülfe hergestellten Abgüsse feinerer

*) In Separatabdruck und als Diss. inaug, erschienen bei Gust. Fischer, Jena 1878.

Bd. XII. N. F. V. 2.

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Gefässäste die beim Messen nöthigen Manipulationen nicht unversehrt auszuhalten, geschweige denn zu überstehen pflegen.

Versuche mit Hyrtl's Masse aus eingedicktem Mastixfirniss erwiesen sie gleichfalls als für die genannten Zwecke unbrauchbar, weil sie selbst bei Siedetemperatur noch so dickflüssig ist, dass, wenn die Organe nicht bis zum Verbrühen erwärmt sind, unter relativ starkem Druck injicirt werden muss, wobei dann Dehnungen der Gefässe entstehen, welche bei der Fixirung der Gefässe auf weniger dehnbarer Unterlage zu Biegungen führen, die in ihrer Gestalt der Ausnutzung des vorhandenen Spielraumes entsprechen: Schlängelungen bis zu mäandrischen Krümmungen, bis zu einander folgenden Biegungen von 180° nach entgegengesetzter Richtung, und Spiralwindungen.

Es galt also, eine in der gewöhnlichen Zimmertemperatur vollkommen unbiegsame, nicht zu brüchige, der Salzsäureeinwirkung widerstehende Masse zu finden, welche schon unterhalb der Siedewärme des Wassers schmilzt und dabei dünnflüssig wie lebendes Blut ist. Die Siedetemperatur muss deshalb vermieden werden, weil in ihr die verschiedenen Gewebe ihre Cohäsion und Elasticität in verschiedener Weise ändern, so dass Verzerrungen entstehen. Zu diesem Zwecke wurde eine Reihe von Stoffen, welche in der Kälte und in der Hitze annähernd die verlangten Eigenschaften besassen, ausgewählt und Theile von ihnen in Salzsäure, andere Theile aber in Kalilauge gethan; Letzteres, um auch eine Masse zu finden, welche zur Corrosion des Gehirns und Rückenmarkes sich eignet, da diese sowie auch die Nerven, Epidermis, Haare und Linse von Säuren nicht corrodirt werden.

§. 2. Es ergab sich, dass eine Mischung von 5 Theilen Colophonium und 1 Theil weissen Wachses den vorliegenden Bedürfnissen vollkommen entspricht, indem, bei dem Vorhandensein der sonstigen verlangten Eigenschaften, Fäden aus ihr von 0,3 Mm. Dicke noch vollkommen unbiegsam sind. Ebenso gut hielt auch eine Mischung von Colophonium und Rindstalg die Corrosion aus; da aber das Rindstalg die Masse nicht blos elastisch, sondern auch etwas biegsam macht, wurde es nicht weiter verwandt.

Mit dieser Mischung aus Wachs und Colophonium erhielt ich nun mit steigender Uebung immer bessere Präparate, so dass zuletzt die Abgüsse der Gefässe mancher Organe keine einzige Biegung im Verlauf der Aeste zeigten.

S. 3. Die Fehlerquellen angehend, welche in der Zeit vom normalen Leben des Organes bis zur notirten Messung des Gefäss

abgusses die Richtigkeit der Resultate beeinträchtigen können, und bezüglich ihrer Elimination ist Folgendes zu erwähnen. Organe mit macroscopisch wahrnehmbaren pathologischen Eigenschaften wurden nicht injicirt. Die alterirende Einwirkung der Todtenstarre der Gefässmuskeln und der anderen Gewebe konnte bei den menschlichen Organen nicht umgangen werden, aber für die Untersuchungen an Thieren wurden die aus dieser Ursache entspringenden Fehler vermieden, indem die Injection sofort nach dem Tode ausgeführt wurde. Für die Untersuchungen an menschlichen Organen muss sogar eine beginnende Fäulniss als alterirend in Rechnung gebracht werden. In Bezug auf die Lebensalter wurden die Resultate an 2 Neugeborenen, 1 einjährigen Kinde, 2 Männern von etwa 30, und 4 Männern von etwa 60 Jahren gewonnen.

Ferner sind zu berücksichtigen die äusseren und inneren Gestaltveränderungen der Organe, welche stattfinden, wenn dieselben, durch Eröffnung der sie einschliessenden Höhlen oder gar durch vollkommenes Herausnehmen aus dem Körper, aus dem System allseitig einwirkender Druck- und Zugkräfte, unter welchen sie entstanden sind und gelebt haben, entfernt werden. Zur Beschränkung dieser Fehler wurde möglichst in situ naturali injicirt. Die Lungen wurden daher ohne Eröffnung der Brusthöhlen injicirt: zuerst die Trachea und dann vom allein eröffneten Herzbeutel aus die Lungenarterien und Lungenvenen. Die Aorta thoracica und die Herzarterien wurden ebenfalls bei geschlossenen Brusthöhlen, von der Aorta abdominalis aus, injicirt, sowie auch die Venen des Thorax und Herzens, deren Injection von der V. jug. ext. aus geschah, nachdem vorher mit einer langen, möglichst weiten und entsprechend gebogenen Glasröhre das flüssige und geronnene Blut aus dem rechten Vorhof und Ventricel durch Aspiration grösstentheils entfernt worden war. Die V. cava inf. muss dabei vorher, von der Bauchhöhle aus, oberhalb der Leber unterbunden worden sein.

Die Erwärmung geschah in nie über 45o zeigendem Wasser. Die aus dem Körper herausgenommenen injicirten Organe zeigten viel mehr Ausnahmen von den unten aufgestellten Regeln, zumal an den Randtheilen, wo sich dann auch Biegungen der Aeste in der Continuität derselben zeigten.

Ein weiterer, zu beachtender Umstand ist der, dass die Venen, zumal die Nierenvenen, älterer Individuen in prall gefülltem Zustande so dick sind, dass sie die in ihrer Nähe verlaufenden, und

von der eben vorhergegangenen Injection noch mit weicher Masse erfüllten Arterien stark verbiegen und so Formen derselben erzeugen, welche nicht physiologisch sein können, da eine dauernd pralle Füllung der inneren Venen normal nicht besteht.

S. 4. Es ist nun zu erörtern, wie weit überhaupt die Injection mit erstarrenden Massen fähig ist, uns die Gestalt des Gefässlumens während des Lebens zu zeigen.

Wenn man erwägt, dass in der Zeit des Erstarrens der Injectionsmasse die Propulsionsbewegung derselben längst aufgehört hat, so erhellt, dass die Injection uns die Gefässe blos im ruhend gefüllten, und daher in jedem Querschnitt der Kreisform möglichst genäherten Zustande giebt, während von der Gestalt, welche der hier Strudel bildende, dort anprallende, da sich verbreiternde und dort sich zusammenziehende Blutstrom vielleicht hervorbringt, nichts zu erkennen sein wird; es sei denn dass Anpassungen der Gefässwand und ihrer Umgebung an diese Stromformen stattgefunden hätten, welche so fest wären, dass sie durch den ausgleichenden Seitendruck der Injection nicht oder wenigstens nicht ganz überwunden würden. Dies würde um so eher der Fall sein, je weniger der Injectionsdruck den physiologischen Blutdruck des Organes übersteigt.

Es folgt daraus, dass man zwar aus einem runden Querschnitt des Abgusses nicht auf die gleiche Gestalt desselben während des Lebens schliessen darf, dass aber umgekehrt eine von der Kreisform abweichende Gestalt des Querschnittes der Abgüsse auf ein physiologisches Bedingtsein und auf ein Bestehen während des Lebens hinweist, falls nämlich die Erscheinung constant ist und ihrer Natur nach nicht auf äussere Einwirkungen zurückgeführt werden kann.

Hoher Injectionsdruck wird aber nicht blos den Querschnitt abrunden, sondern auch, je nach der Festigkeit der Wandung, mehr oder weniger vergrössern. Da nun die Verzweigungsstellen der Arterien festere Wandungen haben, als der Verlauf der Gefässe, so wird letzterer vorzüglich betroffen werden; was auch die Erfahrung genugsam bestätigt hat, indem die durch Injection erhaltenen Resultate, welche eine vom Ursprung des Gefässes an allmählich immer stärker werdende Erweiterung ergaben, mit den Befunden an nicht injicirten, aufgeschnittenen entsprechenden Gefässen der anderen Körperhälfte oder anderer Individuen verglichen wurden. Diese Alterationen entstehen schon bei einem Drucke, welcher noch keine deutlichen Verlängerungen und ent

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