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Individualität aufgestellt habe, sind jenen gegenüber nur von ganz untergeordneter Bedeutung. Solche partielle Bionten sind abgelöste Theile eines actuellen oder virtuellen Bionten, welche zwar eine gewisse Zeit hindurch als selbständiges „Individuum" fortleben, aber nicht wie die virtuellen Bionten zu einem actuellen Bion sich zu entwickeln im Stande sind, z. B. amoeboide Blutzellen, Flimmerzellen, die Rückenanhänge von Thetis (,,Vertumnus"), der Hectocotylus der Cephalopoden u. s. w.

Die Individualität in den Thierstämmen.

Wenn die hier versuchte schärfere Begriffs-Bestimmung der thierischen Individualität, wie ich glaube, gerechtfertigt und naturgemäss ist, so wird sie auch dazu beitragen, das über diesen wiehtigen tectologischen Fragen liegende Dunkel zu lichten, und die vielfältigen Widersprüche der verschiedenen Autoren zu lösen. Zugleich wird die Lehre vom Aufbau der verschiedenen Individualitäts-Stufen, von der Zusammensetzung der höheren Einheiten aus subordinirten niederen Einheiten, von der historischen Entwickelung ihrer Stufenfolgen, wesentlich die klare Anschauung von dem mechanischen Stufengang der phylogenetischen Entwickelung des Thierreichs fördern. Auch das natürliche System des Thierreichs, als Ausdruck seines hypothetischen Stammbaums, wird davon Nutzen ziehen, und die natürliche phylogenetische Unterscheidung der Hauptgruppen des Thierreichs wird durch diese tectologische Begründung wesentlich befestigt werden. In dieser Beziehung habe ich schon in den tectologischen Thesen der Generellen Morphologie (Bd. I, S. 364-374), und später in den Studien zur Gastraea-Theorie (S. 29) die systematische Bedeutung der Individualitätslehre berührt. Sei es mir schliesslich gestattet, dieselbe hier noch etwas weiter auszuführen und die Individualität der einzelnen Thierstämme noch etwas näher zu bestimmen.

Zunächst scheint mir von fundamentaler Bedeutung der einfache, bereits hervorgehobene Satz der Gastraca-Theorie, wonach mit der Bildung der Gastrula, mit der Differenzirung der beiden primären Keimblätter und der Entstehung des von ihnen um schlossenen,,Urdarms" auch erst die Bildung der wahren „Person“ beginnt. Die ontogenetische Gastrula und ihre phylogenetische Urform, die Gastraea, ist die einfachste und älteste Form der Person. Dadurch rechtfertigt sich die fundamentale Scheidung des ganzen Thierreichs in zwei grosse

natürliche Hauptgruppen: einerseits die älteren Urthiere, Protozoen oder Protisten, anderseits die jüngeren Darmthiere, Metazoen oder Blastozoen. „Die Individualität der Urthiere bleibt stets auf sehr niedriger Stufe stehen. Sie bilden nämlich entweder ein Morphon erster Ordnung, eine einfache Plastide (eine Cytode oder eine Zelle); oder sie bilden höchstens ein Morphon zweiter Ordnung, ein „Organ" in rein morphologischem Sinne, ein Idorgan. Niemals aber erheben sich die Protozoen zu dem Formwerthe eines Morphon dritter oder vierter Ordnung, einer Person oder eines Stockes" (Gastraea-Theorie, S. 30). Dagegen erreichen alle echten Thiere, alle Metazoen, die Individualitätsstufe der Person, welche mit der Differenzirung der beiden primären Keimblätter und der Bildung des Urdarms beginnt. Viele Metazoen bilden ausserdem Stöcke, die aus zahlreichen Personen zusammengesetzt sind. Die tiefgreifende Differenz, welche dergestalt zwischen Protozoen und Metazoen besteht, kann nicht genug betont werden, weil sie auf die verschiedensten übrigen Organisations-Verhältnisse von grösstem Einflusse ist. Niemals mehr kommt bei den Metazoen die Individualität der Plastide zu jener autonomen Geltung, die sie bei den Protozoen allgemein besitzt; niemals sehen wir bei den Metazoen das Bion auf der niederen Stufe des Idorgans stehen bleiben, auf welcher dasselbe bei allen vielzelligen Protozoen verharrt.

Alle Metazoen haben das gemeinsam, dass sie mit der Gastrulation die Individualitätsstufe der Person erreichen; aber die weitere tectologische Ausbildung ist in den verschiedenen Hauptgruppen oder „,Phylen" derselben sehr verschieden. Die Zoophyten, Würmer und Echinodermen bieten der Tectologie sehr interessante und zum Theil sehr schwierige Probleme, während sich die Individualitäts-Frage bei den Mollusken, Arthropoden und Vertebraten sehr einfach und klar beantworten lässt.

Was zunächst die Zoophyten (oder die Coelenteraten im weiteren Sinne) anbetrifft, so treffen wir in beiden Hauptabtheilungen derselben, bei Spongien und Acalephen, das actuelle Bion (oder das „reife physiologische Individuum als Species-Repräsentant") bald als Person an, bald als Cormus, der aus mehreren Personen zusammengesetzt ist. Immer ist die Person ungegliedert, ohne wahre Metameren-Bildung. Dagegen ist die Param renBildung bei den Acalephen fast allgemein vorhanden, während sie bei den Spongien fast ebenso allgemein fehlt. Die sehr schwierige Frage von der Individualität der Spongien habe ich in der

Monographie der Kalkschwämme so ausführlich erörtert, dass ich hier einfach darauf verweisen kann (Bd. I, S. 89-124). Die Person der Spongien ist stets ungegliedert und einaxig, ohne Kreuzaxen und also auch ohne Parameren, ebenso ohne wahre Metameren. Der Cormus der Spongien wird in höchst mannichfaltiger Weise aus zahlreichen, oft eigenthümlich reducirten und verwachsenen Personen zusammengesetzt. Diese polymorphen Stöcke entstehen bald durch Knospung aus einer einzigen ursprünglichen Person, bald durch Verwachsung aus mehreren, ursprünglich getrennten Personen, bald durch beide Processe zugleich. Primäre und secundäre Cormen, monoblastische und polyblastische Stöcke finden sich hier oft bei einer und derselben Species vor.

Die Acalephen (oder die Coelenteraten im engeren Sinne) bieten höchst verwickelte tectologische Verhältnisse vor Allen in der Klasse der Medusen, demnächst auch unter den Korallen, während sie bei den Ctenophoren sehr einfach sind. Als gemeinsame Ausgangsform ebenso für die tectologische und promorphologische, wie für die ontogenetische und phylogenetische Betrachtung, muss innerhalb der ganzen Acalephen-Gruppe ein einfachster Hydra-Polyp gelten. Wie eine solche einfache Hydroid-Form sich unmittelbar an die Gastrula anschliesst, wurde bereits in den Studien zur Gastraea-Theorie gezeigt. Ein einfachster Hydra-Polyp ist eine Gastrula, welche sich mit dem aboralen Pole der Längsaxe festgesetzt und am oralen Pole, um die Mundöffnung herum, einen Kranz von Tentakeln entwickelt hat. Durch diese letzteren werden aber bereits ebenso viele Kreuzaxen, bezüglich also auch Parameren angedeutet. Während also die ursprüngliche Gastrula, die reine Archigastrula, noch eine einfachste ein axige Person darstellt, wird der einfachste Hydropolyp bereits kreuz axig. Er besteht aus soviel Parameren, als Tentakeln um den Mund herum neben einander existiren. Die ursprüngliche Anzahl derselben dürfte unbestimmt und variabel gewesen sein. Sobald aber einmal eine bestimmte Zahl sich zuerst fixirte, scheint es die Vierzahl gewesen zu sein. Denn vier Tentakeln sehen wir zuerst bei der jungen Hydra, wie bei vielen anderen Hydroid-Polypen, um den Mund hervorsprossen; vier Tentakeln entwickeln sich ebenso zuerst auch bei juren Actinien und vielen anderen Acalephen.

Auch für die Medusen scheint die Vierzahl der Parameren die ursprüngliche zu sein; und alle Medusen, welche sechs, acht oder mehr Parameren besitzen, dürften von vierstrahligen abzu

leiten sein. In den beiden primären auf einander senkrechten Meridianebenen (oder Parameren-Schnittebenen) liegen die vier primären Radial-Canäle und Randfäden, die vier Mundlappen u. s. w. Ganz ebenso beurtheilen wir auch die Personen der Korallen. Ontogenetische und anatomische, wie paläontologische Zeugnisse machen es höchst wahrscheinlich, dass vierstrahlige Korallen, jungen Rugosen ähnlich, die ältesten waren, und dass aus diesen durch Verdoppelung der Parameren die achtstrahligen, durch Einschaltung von zwei gegenständigen Parameren die sechsstrahligen hervorgegangen sind. Die Ctenophoren dürften sämmtlich als vierstrahlige Personen aufzufassen sein, nicht als achtstrahlige, wie ich in der Gener. Morphol. sie analysirt hatte. Indess bleibt die ausführliche Erörterung, welche ich daselbst von den merkwürdigen promorphologischen Verhältnissen ihrer acht Antimeren gegeben habe, bestehen, da wir ja nunmehr je zwei Antimeren als zugehörige Hälften eines Parameres auffassen.

Sehr mannichfaltig und interessant sind in tectologischer, wie in promophologischer Beziehung die Stockbildungen der Acalephen. Insbesondere gilt das von denjenigen der Hydromedusen, und unter diesen wieder vorzugsweise von den Siphonophoren. Denn keine andere Thiergruppe wirft ein so helles Licht auf die wichtigen Verhältnisse, welche durch die Association niederer Individuen zu höheren und durch die Arbeitstheilung derselben bedingt werden. Als gemeinsame Ausgangsform aller verschiedenen Gestalten dieser formenreichen Gruppe muss der einfache Hydroid- Polyp angesehen werden, eine kreuzaxige ungegliederte Person. Durch Gemmation sind daraus die verschiedenen Cormus-Formen der Hydroid-Polypen entstanden; durch Ablösung einzelner hydroider Personen und Anpassung an schwimmende Lebensweise hat sich daraus die einfache Meduse (durch ihren Schirm characterisirt) entwickelt. Die Siphonophoren fassen wir als wahre Medusen-Stöcke auf, als Cormen, die sich aus zahlreichen, durch Arbeitstheilung differenzirten medusoiden Personen zusammensetzen; viele von diesen letzteren (z. B. die polypoiden „Magensäcke, Fühler" u. s. w.) sind durch Rückbildung (Schirmverlust) wieder hydroid geworden.

Die grössten tectologischen Differenzen betreffen den Stamm der Echinodermen. Hier stehen sich zwei grundverschiedene Auffassungen der Individualität schroff gegenüber. Nach der

Bd. XII. N. F. V. 1.

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älteren Anschauung ist jedes einzelne Echinoderm ein „radiales Individuum", genauer bezeichnet eine kreuzaxige Person, tectologisch vergleichbar einer einzelnen Meduse oder Actinie; wie bei der letzteren die einzelne Person aus vier oder sechs Parameren besteht, so soll sie beim Echinoderm aus fünf Parameren zusammengesetzt sein. Hingegen ist nach der neueren Auffassung, die ich in der Gener. Morphol. (Bd. II, S. LXII-LXXVII) aufgestellt habe, das einzelne Echinoderm als ein wirklicher Stock oder Cormus zu beurtheilen, der aus fünf (oder mehr) gegliederten Personen zusammengesetzt wird. Die Richtigkeit dieser letzteren Auffassung wird sowohl durch die vergleichende Anatomie wie durch die Ontogenie und Paläontologie der Echinodermen so schlagend bewiesen, dass jene ältere Anschauung ihr gegenüber unhaltbar geworden ist.

Um die Individualität der Echinodermen richtig zu beurtheilen, muss man die morphologischen und phylogenetischen Beziehungen aller verschiedenen Klassen dieses Stammes vergleichend betrachten. Alle Echinodermen stimmen in den charakteristischen Grundzügen ihres Baues und ihrer Entwicklung so überein, dass eine monophyletische Ableitung Aller von einer einzigen gemeinsamen Stammform (wenn auch nur als beste heuristische Hypothese) gerechtfertigt erscheint. Diese Stammform können wir aber aus vergleichend - anatomischen und ontogenetischen Gründen nur in der Klasse der Asterien suchen, und zwar unter jenen höchst,,autonomen" Seesternen (Ophidiaster, Luidia, Brisinga etc.), bei welchen der Körper fast blos aus freien ,,Armen" besteht, dagegen die centrale „Scheibe", die letztere vereinigt, ganz zurücktritt. Zur besseren Unterscheidung wollen wir die freie vortretenden „Arme" der Asteriden, Ophiuren und Crinoiden als Sternarme (Astrolena e) bezeichnen, dagegen die centrale Scheibe als Sternscheibe (Astrodiscus). Je weiter die phyletische Entwicklung der Echinodermen vorschreitet, desto mehr verlieren die Astrolenen ihre ursprüngliche Autonomie zu Gunsten des Astrodiscus; und zuletzt wird die fortschreitende Centralisation so vollständig, dass die ersteren ganz in letzterem aufgehen, wie es bei den Blastoiden, Echiniden, Holothurien der Fall ist.

Die wichtigsten Zeugnisse für unsere Auffassung der Echinodermen entnehmen wir der Ontogenie. Unzweifelhaft sind unter den zahlreichen und sehr verschiedenen Keimungsformen derselben diejenigen als palingenetisch und ursprünglich zu

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